Hängepartie gegen Biberach


Im Heimspiel gegen Biberach ist uns ein Remis sicher, aber wir wollen alle beiden Mannschaftspunkte, und wir haben sie auch verdient.

Ganz schnell ging es an Brett 8. Zum Glück lehnte Alexander Wettengel das Remisangebot seines Gegners Dr. Dirk-Steffen Schindler (ELO 2055) im 10-ten Zug ab. Die Aussichten auf einen kleinen, aber dauerhaften Vorteil waren offensichtlich. Wenige Züge später war aus dem kleinen Stellungsvorteil schon ein entscheidender Materialvorteil geworden, und nach einigen weiteren flott vorgetragenen Zügen verlor Schwarz - verständlicherweise - die Lust an der Partie. 1:0 nach 2 Stunden.

Schnell erfolgreich war auch Rolf Fritsch an Brett 2. In seiner modernen Verteidigung wählte Rainer Birkenmaier (2152) nach 18.Le2-b5+ möglicherweise die falsche Fluchtrichtung für seinen König. Ein Vorstoß 24.e4-e5 d6xe5 25.De2xe5 mit Angriff auf den ungedeckten Tb8 sorgte ordentlich für Frischluftzufuhr in königlicher Umgebung und nach 30 Zügen war das Matt bereits unabwendbar. Bravo Rolf!

Am Spitzenbrett kämpfte der Biberacher Top Seed Wolfgang Mack (2279), bekannt für seine Turnierbesuche auf der idyllischen Kanalinsel Guernsey, gegen unseren 14-jährigen Shooting Star Mark Kvetny. In der englischen Eröffnung gewährte Mack in der Hoffnung auf vorteilhaften Rückgewinn seinem jungen Gegner zunächst ein Bauernplus in Form eines vereinzelten D-Doppelbauern. Beide Spieler suchten taktische Möglichkeiten mittels schönem aktivem Figurenspiel. Und tatsächlich hätte Weiß mit seinem 27-ten Zug einen großen Vorteil sicher stellen können. Stattdessen verlor er die Qualität durch einen minderwertigen Zug und durch zu viele schwere weiße Figuren auf schwarzen Feldern. In der Folge erlaubte sich keiner der beiden mehr eine Schwäche, so dass die Partie remis endete.

An Brett 5 erreichte Josef Gabriel mit den weißen Steinen schnell den Stellungstyp, der ihm am meisten liegt. Eine etwas verschachtelte, objektiv nicht unbedingt gute Stellung, die ihm aber hinreichend Möglichkeiten zu taktischen Überfällen bietet. Einem solchen Überfall erlag sein Gegner Rainer Wohlfahrt (2137) kurz vor der Zeitkontrolle, nachdem er sich zuvor vermutlich sehr wohl gefühlt hatte und vielleicht etwas zu unvorsichtig geworden war. Das war unser dritter voller Punkt.

Dieter Migl mit Schwarz an Brett 7 hätte nach seiner langen Pause sicher gerne ebenfalls den vollen Punkt gemacht. Aber dafür agierte sein Gegner Albrecht Weidel (2139) an diesem Tag einfach zu vorsichtig / umsichtig, so dass für Dieter nicht mehr als ein Remis drin war.

Nun kommen wir zu den unerfreulichen Themen. An Brett 4 verzichtete Holger Namyslo (2228) mit seiner Französischen Verteidigung auf den sofortigen Rückgewinn des durch d4xc5 entstandenen Minusbauern und erlaubte mir lange Zeit eine aussichtsreiche Stellung. Als die schwarzen Figuren aber immer besser ins Spiel kamen, verlor ich total den Faden und ließ mich am Ende wie ein Baby mattsetzen.

Wilhelm Haas sah sich mit den schwarzen Steinen einem unangenehmen lange anhaltenden Druck durch die Katalanische Eröffnung seines Gegners Stanislav Sokratov (2208) ausgesetzt. Nachdem er einige Züge vor der Zeitkontrolle schließlich Ausgleich erreicht hatte, passierte im 41-ten Zug ein kaum glaubliches Missgeschick. Einfach die ungedeckte Dame stehen gelassen und stattdessen den Folgezug zuerst gemacht.

Nun bleibt nur noch Brett 3: Oliver Weiß (2252) - Martin Hofmann. Der "Weiß"-Spieler konnte einigen Druck entwickeln und schließlich einen Bauern gewinnen. Als die meisten unserer Leute im Nebenraum die Partie Trachtmann - Neyman aus SSF1 - Schmiden verfolgten, kam es zu folgender interessanten Stellung (leider habe ich von dieser Partie keine Notation.).

Oliver Weiß - Martin Hofmann


Weiß hatte den Vormarsch des schwarzen H-Bauern bis h3 erlaubt und Schwarz zuvor Ld8-h4 gezogen. Nun konnte Martin endlich den Zug Lh4-g3 anbringen, während sich sein Gegner wohl auf f4-f5 verlassen hatte. Aber Oliver Weiß verfiel nun doch in längeres Grübeln. Er befürchtete vor allem Varianten wie 1…Lg3 2.f5 Lxe5 3.Kxe5 exf5 4.Kxf5 Kd6 5.Kg4 Kc5 6.Kxh3 Kc4 7.Kg3 Kb3 8.h4 Kxb2 9.h5 a3 10.h6 a2 11.h7 a1D und plötzlich muss Weiß um das remis kämpfen. Aber er hätte besser spielen können. Wie Holger Namyslo nach der Partie zeigte, darf der weiße König nicht kopflos Richtung h3 rennen, sondern muss im Zentrum dagegen halten. Nach 4.c4! gewinnt Weiß, z.B. f4 5.Kxf4 Kd6 6.Ke4 Kc5 7.Kd3 Kb4 8.Kd4! Kb3 9.c5 bxc5+ 10.Kxc5 Kxb2 11.b6 a3 12.b7. Stattdessen entschloss sich Oliver Weiß aber dazu, den gefährlichen Bh3 sofort zu neutralisieren: 1…Lg3 2.Kf3 Lxh2 3.Kg4.

Dann folgten zahlreiche - in der resultierenden Stellung nun wenig aussichtsreiche - Gewinnversuche von Weiß, die Martin allesamt absolut locker parierte. Schließlich wurden noch der Ba4 gegen Bb2 und der Bf4 gegen den Be6 getauscht, so dass die Stellung praktisch tot remis war. Sobald Oliver Weiß dann mit Restbedenkzeit < 5 min ebenfalls vom Mitschreiben entbunden war, begann ein Gezocke rein auf Zeit, in dem Weiß ohne ernsthafte Gewinnversuche und ohne jegliche Fortschritte alleine versuchte seine 2 Minuten Zeitvorsprung auszuspielen. Mir persönlich wäre das sogar in einem Schnellturnier zu peinlich gewesen. Der Schiedsrichter stand die ganze Zeit daneben, sah diesem Treiben etliche Minuten lang zu und versuchte mitzuschreiben. Er schaffte aber immer nur L, L, K,…was später natürlich wegen Kontrolle der 50-Züge-Regel trotzdem weiterhelfen könnte. Beim Zeitstand von 1:40 min bei Martin gegen ca. 3 min bei Oliver Weiß wandte ich mich, hinter dem Schiedsrichter stehend, an selbigen mit der Frage, ob das nicht ein Fall für FIDE-Regel 10.2 sei (= die stärkere Partei spielt nur auf Zeitvorteil ohne vorwärts zu kommen, während die schwächere Partei zeigen kann, wie sie die Sache hält.). Damit wollte ich gleichzeitig auch meinen Spieler auffordern remis anzubieten, ein Recht, das dem Mannschaftsführer zusteht. Aber auf die formal korrekt vorgetragene Remis-Reklamation Martins reagierte der Schiedsrichter dann schon nicht mehr. Stattdessen wiederholte er nun mehrfach, dass die Partie für Schwarz verloren sei, weil ich "reingeredet" habe. Sonst wäre es remis gewesen. Diese Entscheidung entbehrt jeglicher Grundlage in den Regeln und wird von uns nicht hingenommen werden.

Hier noch einmal die Schlussstellung, die der Schiedsrichter als gewonnen für Weiß gab:


Oliver Weiß - Martin Hofmann



13.11.2011     Claus Seyfried