Der Sieg in Pfullingen hätte wohl klarer ausfallen können. Aber Hauptsache, es hat am Ende gegen den Aufsteiger aus der Verbandsliga Süd gerade noch für unsere ersten beiden Mannschaftspunkte gereicht.
Dabei fing es ganz gut an. Mein Gegner Michael Nagelsdiek (ELO 2139) machte in einer damengambit-ähnlichen Stellung einen unpassenden Zug a7-a6, so dass sofortiges c4-c5 zu klarem Stellungsvorteil für Weiß führte. Vielleicht verunsichert durch dieses frühe Handicap, folgte bald ein krasser Einsteller, und die Partie war nach etwas mehr als zweieinhalb Stunden zu Ende. Am Spitzenbrett ließen Rolf Fritsch und Martin Altenhof (2252) keine Schwächen erkennen, so dass es nach Damentausch zu einem baldigen Friedensschluss kam. An Brett 2 erreichte Martin Hofmann mit seiner Sizilianischen Verteidigung gegen Thomas Nägele (2183) schnell eine bequeme Stellung, in der er schon mal kaum mehr in Verlustgefahr geraten konnte. Wir sollten aber später seinen vollen Punkt brauchen. An Brett 4 spielte Josef Gabriel mit Schwarz gegen Bernd Einwiller (2193), kam sorgenfrei aus der Eröffnung und versuchte bereits am weißen Königsflügel aktiv zu werden. Im weiteren Verlauf unterschätzte Josef aber die Stellung eines weißen Pferdes auf f5 und seine Stellung verschlechterte sich stetig. Kurz vor der Zeitkontrolle war sie hoffnungslos verloren und ich erwartete eine weitere Null auf unserer Seite, bis ..... ja bis Bernd Einwiller durch seinen schwachen 41-ten Zug ein Dauerschach zuließ. Das war aber das einzige klare Gastgeschenk, das wir an diesem Sonntag in Pfullingen erhielten. Zuvor hatte schon Heinz Gerstenberger nach anfangs schönem Spiel mit den schwarzen Steinen seinem Gegner Dieter Einwiller (2171) an Brett 6 zuviel Bauernkraft im Zentrum überlassen und leider verloren.
An Brett 8 verteidigte sich Hartmut Schmid gegen Uwe Bräuner (2134) gewohnt solide gegen einen Colle-ähnlichen Aufbau. Hartmut hatte erst am Morgen sicher gewusst, dass er spielen muss. Am Samstag abend irgendwann nach 20 Uhr kam ein Anruf von Gerd Lorscheid, dass er sich Sorgen mache, ob Andreas Reuss wegen seiner starken Erkältung wie vorgesehen in der Ersten Mannschaft spielen könne. Ob ich nicht noch irgendeinen Ersatzspieler habe. Klar habe ich, und die rufe ich auch unheimlich gerne am Samstag abend vor dem Spieltag an, nachdem ich sie zuvor schon mal ausgeladen hatte! Ursprünglich sollten Hartmut Schmid und Pavel Aksenov spielen, dann nur Pavel (wegen Andreas Reuss' Zusage für die Erste), und ab Donnerstag keiner von beiden, weil überraschend Niko Chatziioakimidis verfügbar war. Da wir zwei Treffpunkte hatten - einen am Hbf und einen in Degerloch - rief ich zuerst Hartmut an, weil es dann ggfls. mit dem Mitfahren besser klappen konnte. Und nach Rücksprache mit seiner Frau war Hartmut zum Glück für uns bereit am Sonntag morgen evtl. einzuspringen. Schönen Dank noch 'mal dafür. Fairer Weise hatte Gerd nicht nach dem ursprünglich eingeplanten Rolf Fritsch gefragt. Das wäre zum Einen unser Fahrer ab Hbf gewesen, und außerdem hätten sich für alle unsere Spieler die Farben geändert. Er wollte Wilhelm Haas oder Josef Gabriel, so dass ich am Morgen in Pfullingen drei Varianten der ausgedruckten Mannschaftsmeldung dabei hatte (Variante 1: Andreas Reuss ist gesund, Variante 2: Wilhelm Haas spielt in der Ersten, Variante 3: Josef Gabriel spielt in der Ersten).
Jedenfalls hat sich Hartmut in seiner vierten Schwarzpartie in dieser Saison (2 x Oberliga, 2 x Verbandsliga) das beste Dankeschön selbst beschert, nämlich einen astreinen Sieg. Nach 12 Zügen kam es zu dieser Stellung. Der Weiße hatte bereits etwas seltsam gespielt, z.B. 8.Dd1-b1, und unmittelbar vorher mit der ungeduldigen Pseudo-Aktivität 12.Sf3-e5 und der Folge 12...Sd7xe5 13.d4xe5 Sg4 14.Lg3 seine Stellung ein wenig ruiniert.
Uwe Bräuner - Hartmut Schmid
14...Lh4 ist naheliegend, um den Be5 zu unterminieren. Aber es braucht natürlich etwas Mut sich nach 15.Lf4 mit dem dann einzig folgerichtigen Zug 15...g7-g5 die Königsstellung aufzureißen. Aber es gewinnt einen Bauern bei weiterhin guter Stellung, und Hartmut ließ sich den vollen Punkt nicht mehr nehmen.
An Brett 5 hatte sich Niko Chatziioakimidis gegen FM Marcin Banaszek (2196) diese Bombenstellung erspielt. Kurz zuvor hatte Niko 24.f5-f6 gespielt, um den Zug 25.Le4-f5 zu ermöglichen.
Niko Chatziioakimidis - FM Marcin Banaszek
Was ist der beste Zug in dieser Stellung? Nein, nicht das profane 27.Lf5xc8, sondern 27.Lf5-e6 ! Die Dame droht nun auf h7 einzudringen und ordentlich Flurschaden anzurichten. Der Le6 muss also weg: 27...Tf6xe6. Niko hatte den Bd5 zum Zurückschlagen schon angefasst, als ihm ein Geistesblitz den sofortigen Gewinn wies. Wie hätte er richtig spielen müssen ? Lösung ganz unten. Aber so bekam Schwarz die Damen vom Brett bei 2 Bauern für die Qualität. Angesichts des Schocks gerade einen Glanzsieg verpasst zu haben, unterliefen dem Weißen 2 weitere Ungenauigkeiten, die zu einem knappen, aber gegen den erfahrenen FM hoffnungslos verlorenen Endpiel führten. Niko wehrte sich noch sehr sehr lange, blieb aber leider ohne Chance. Schade!
An Brett 7 erreichte Alexander Wettengel gegen die Französische Verteidigung von Werner Wendler (2112) einen leichten, aber dauerhaften Vorteil. Es war eigentlich nur die Frage, ob der Vorteil am Ende zum Gewinn ausreicht. Alexander spielte optimal, bis er in Zeitnot in dieser Stellung auf Abwege geriet.
Alexander Wettengel - Werner Wendler
Z.B. nach 33.Ld3 h6 34.g4 Kg7 35.Ke5 hat Weiß beste Gewinnaussichten. Stattdessen droht Schwarz nach 33.g4 Le8 34.Te5 Ke7 35.g5 Kd6 36.Lg4 Ld7 plötzlich seinerseits entweder mit Tf8-f4+ den Te5 oder nach Rückzug des weißen Turmes mit e6-e5+ den Lg4 zu gewinnen. Alexander zog die Notbremse mit 37.h3. Plötzlich hatte nun Schwarz die günstigere Stellung, aber zum Glück war die Remisbreite noch nicht ganz überschritten, Alexander hielt das Remis.
Zurück zu Brett 2. Schwarz hatte einen rückständigen Bauern auf d7, Weiß einen solchen auf c2. Es waren schon lange nur noch Schwerfiguren und Bauern auf dem Brett, als sich die Gelegenheit zu d7-d5 bot. So verschwand Martins Schwäche, während die weiße blieb. Aber wie gewinnt man eine solche Stellung ?
Thomas Nägele - Martin Hofmann
Richtig, Schwarz spielt einfach h7-h5-h4. Den Bauern g3 wird Weiß nur schwer decken können, und h2-h4 geht schon drei Mal nicht. Nimmt Weiß auf h4 mit g3xh4, so hat Schwarz die Chance bei einer weißen Königswanderung Richtung Damenflügel mit Schachgeboten der Dame z.B. auf g1 und g4 den Bf4 zu gewinnen, wonach die Partie schon halb gewonnen ist. Natürlich muss Schwarz sehr sorgfältig vorgehen, aber das ist Martin glänzend gelungen und mit dem ungefähr zeitgleichen Remis von Alexander an Brett 7 konnte er so den Mannschaftssieg sicherstellen!
So kann es weitergehen!
Lösung zu Nikos Partie: Nach 27...Tf6xe6 folgt 28.Tf1-f7+!! Ke7xf7 29.d5xe6+ und die Db7 ist weg!!!