Am Ende hatten wir etwas Glück
Die schlechte Nachricht zuerst. Josef Gabriel musste zum vierten Mal mit Schwarz spielen, so dass seine tagelange Vorbereitung mit Weiß gegen den bisherigen 100%-Scorer Bernd Grill für die Katz' war. Vorläufig(!), denn vielleicht lässt sich ja ein anderes Mal Nutzen daraus ziehen. Martin Hofmann war wegen eines Krankheitsfalles in der Familie kurzfristig ausgefallen, und am Samstag abend konnte ich keinen anderen "Ersatz" mehr auftreiben als unser standardmäßiges Brett 1. Vielen Dank an Wolfgang Schmid für das nicht geplante kurzfristige Einspringen, manch anderer hätte es nicht gemacht.
Die gute Nachricht dazu: Josef Gabriel hat gewonnen, und wie ! In einer wechselhaften Wiener Partie zertrümmerten im Endspiel seine beiden verbliebenen Türme nebst D-Freibauer die Reste der weißen Truppen (K + T + L + S + ein paar Minusbauern). Schon vorher hatte Alexander Wettengel an Brett 6, ebenfalls mit Schwarz, auf geradlinigem Wege eine ganz klare Gewinnstellung erreicht und sicher den vollen Punkt eingefahren. Gratulation!
An Brett 1 spielte Wolfgang Schmid gegen das Französisch von Bernd Grill (bisher 3 aus 3) die Abtauschvariante. Als die Partie schon vorbei war, fragte mich B.Grill, ob das wohl wegen seiner bisherigen Punktausbeute geschah. Ich konnte ihn aber beruhigen und ihn aufklären, dass das ganz klar "Stuttgart Style" gegen Französisch sei, denn viele bekannte Stuttgarter spiel(t)en schon so. Doch auch mit dieser extrem ruhigen Spielweise konnte Wolfgang einigen Vorteil erlangen, nahm am Ende aber doch das Remisangebot seines Gegners an.
In einer französischen Partie etwas abseits der Theoriebücher hatte ich nach wenigen Zügen ein wüstes taktisches Gemetzel auf dem Brett mit nicht angenommenen Springeropfern, ebenso verschmähtem Gegen-Damenopfer etc. Ich war am Anfang sicher das Ding zu gewinnen. Erst später konnte ich mich davon überzeugen, dass ich nur ein einziges Mal die Chance auf Vorteil ausgelassen hatte und stattdessen, insbesondere auch in der Schlussstellung, eine Verluststellung hatte, die ich aber angesichts knapper Bedenkzeit des Gegners per Angebot zum Remis führen konnte. Hier würde sich eigentlich ein Diagramm lohnen:
Im neunten Zug hatte ich 8...f6 mit 9.Sg5 beantwortet, ein Motiv, das aus ähnlichen Stellungen bekannt ist, hier aber nicht ganz korrekt war. Aber Schwarz ließ sich beeindrucken und nahm zwei Mal auf e5. In der Diagrammstellung hätte ich mich ganz simpel mit 12.Lxd7+ Dxd7 13.De2 und großem Vorteil zufrieden geben müssen. Stattdessen wurde ich gierig und fraß auf e6. Ich hatte nur geprüft, dass Schwarz mit De7 keinen Ärger machen konnte. Also 12.Sxe6, aber nun der Schock: 12...Lxb5! Wie man es dreht und wendet, am Ende hat Schwarz ein vorteilhaftes oder sogar gewonnenes Endspiel, z.B. 13.Sxd8 Sd3+ 14.Ke2 (14.Kc1 Sxc1+ ist auch nicht besser) Sxb2+ 15.Kf3 Sxd1 16.Se6 Tc8 mit der Drohung Tc3+. In der Partie folgte 13.Db3 Sd3+ 14.Kd1 Sxf2+ 15.Ke1 Sd3+ 16.Kd1 Dd7 17.Dxb5 (wieder schlecht, viel besser war 17.Sc7+ und der schwarze Vorteil hält sich in Grenzen) Sf2+ 18.Ke1 Dxb5 19.Sc7+ Kf7 20.Sxb5 Sxh1 21.Sb3 a6 (Lb4+!) 22.Sc3 Ld6 23.g3 h5 (g5) 24.Lf4 Le5 25.Kf1 und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es keine schlechte Idee ist remis anzubieten.
An Brett 3 versuchte Hartmut Schmid mit den weißen Steinen einen sehr ruhigen positionellen Aufbau. Am Ende musste er leider feststellen, dass er seinem Gegner zuviel Initiative überlassen hatte und musste sich an diesem Tag dem guten Spiel M. Rupps geschlagen geben.
An Brett 7 hatte Lothar Schwarzburger in einer spanischen Partie seinen kleinen Vorteil langsam aber stetig gemehrt und schließlich erneut souverän gewonnen. Lothar gehört damit zu unserer 100%-Fraktion!
An Brett 8 hatte Dieter Hottes mit den schwarzen Steinen gegen M. Mehrer eine sehr schöne Stellung erreicht. In knapper werdender Zeit ließ sich das leider nicht in einen klaren Vorteil ummünzen, im Gegenteil, am Ende gewann leider Weiß. Laut Ebersbacher WebSite soll allerdings Schwarz im 10-ten eine Gewinnmöglichkeit ausgelassen haben.
So lief gegen Ende der 6-Stundenfrist beim Stande von 4:3 für uns nur noch das Endspiel von Wilhelm Haas mit Schwarz gegen Ralf Warthmann. Bei nahezu identischem Material (K + T + L + Bauern + 20 min. Restzeit gegen K + T + S + nahezu symmetrische Bauern + 8 min. Restzeit) sah man erst auf den zweiten Blick, dass das Endspiel für Schwarz nicht zu retten war. So hatten wir uns eigentlich schon mit dem 4:4 abgefunden, als Wilhelms Gegner ein kaum glaublicher Einsteller passierte: Endstand 5:3 !!!
28.11.2010 Claus Seyfried