Stuttgarter SF - HP Böblingen 3.5-4.5
Beim Turnier in Cappelle eine Woche vor der Runde ließ mich der Böblinger Mannschaftsführer triumphierend wissen, ich solle meine Email checken. Dort fand ich, dass sie extra für uns noch einen vierten Schachprofi nachgemeldet hatten, und mit ELO 2550 keinen schlechten. Ich denke damit gaben sie die Liga vollständig der Lächerlichkeit preis, aber die Regeln, von wem auch immer erfunden, erlauben es beliebig viele Spieler bis zur siebten Runde nachzumelden (Weshalb eigentlich bis zur siebten?). Vergleicht man dies zur Bundesliga, wo nur vierzehn Spieler erlaubt und Nachmelden verboten ist, so ist dort das Risiko schon vor der Saison vier Joker nur für einen Kampf zu melden zu hoch. Deshalb hatte man seinerzeit dort den Kader reduziert. In Württemberg ist diese Erkenntnis noch nicht angekommen und so könnte man also in der Saison bis zu einer kompletten neuen Mannschaft melden. Aber auch wenn es nur wenige Spieler sind und dies ist so immer möglich, erlaubt dies den Wettbewerb zu verzerren. Dies sollte zügig geändert werden. Wenn nicht dann eröffne ich vielleicht eine Agentur zur Vermittlung solcher Spieler: Erwarten Sie einen entscheidenden Kampf in der Bezirksliga? Wieviele sollen es den sein? Reichen drei Zweivierer? Kenntnisse der deutschen Sprache kostet extra!
Somit war klar, dass wir in dem Kampf auch mit bester Besetzung Aussenseiter sein würden, vor allem wenn man berücksichtigt, dass Igor direkt von der Cebit kam und Branimir noch keine Zeit gefunden hatte seine Form wieder aufzubauen. Aber in einem Kampf kann viel passieren.
Relativ schnell war Dieter Mohrlok fertig. Rene Dausch legte die Eröffnung mit Weiß sehr schlapp an, mit vier IMs vorne nicht ganz unverständlich. Mit umgekehrten Farben war auch bei Andreas Reuss gegen Kurmann nie etwas los, obwohl man bis zum Bauernendspiel übte.
Letztlich die Vorentscheidung des Kampfes fiel an den Brettern sechs und acht, wo wir nach Elo nicht benachteiligt und zusätzlich mit den weißen Steinen gesegnet waren. Dieter Migl stand nach der Eröffnung sehr vielversprechend und merkte an, dass er sofort Remis forcieren könnte. Dies lehnte ich als Mannschaftsführer ab. Er bekam dann klaren Vorteil, aber der Stellungstyp war nicht seiner. Statt sich einfach auf die gegnerischen Löcher zu konzentrieren, suchte er taktische Lösungen, fand keine und stellte dann selbst eine Qualität ein. Auch die Chancen danach nutzte er nicht. Bei mir war eigentlich nie was los, bis ich auf die Idee kam Josef Ghengs Aktivität auf der h-Line zu kontern. Ich berechnete eine Variante und spielte sie genau so a Tempo bis zum bitteren Ende. Bitter deshalb, da ich übersehen hatte, dass mein Gegner am Ende statt seinen Freibauern zu treiben erst in aller Ruhe meinen König abschneiden konnte. Ein kurzer Check zwei Züge vorher bei noch hinreichend Bedenkzeit hätte zu Tage gefördert, dass ein kleiner Deckungszug mir zumindestens gleiche Chancen gegeben hätte.
Die Partien von Andreas Strunski und Branimir Vujic liefen dagegen für Böblingen unglücklich. Ersterer hatte es mit dem Böblinger Mannschaftsführer zu tun. Es entstand eine scharfe Stellung mit Andreas auf der angreifenden Seite, in der der Vorteil durch grobe Fehler mehrfach wechselte. Als er sich dann auf Böblinger Seite zu stabilisieren schien, wechselte er noch ein letztes Mal vor der Zeitkontrolle die Seite. Andreas mutiger Angriff wurde belohnt. Branimir Vujic kam sehr gut aus der Eröffnung heraus. In den folgenden taktischen Komplikationen verpasste er nach Rudi Bräuning entscheidend Material zu gewinnen. Statt dessen musste er mit Minusqualität im Trüben fischen, was dank der Zeitnot seines Gegners auch aufging. Hier zeigt sich der Unsinn der Böblinger einen der Mannschaft fremden Spieler zu so einem wichtigen Kampf zum ersten Mal einzusetzen. Auch ein Spieler mit fast Zweifünf muss sich in einer Mannschaft aklimatisieren. Petar Benkovic verlor die ersten beiden Partien in unserer Mannschaft um danach ohne Niederlage 11 aus 13 zu machen. Für den beruflich gestressten Branimir war dieses Erfolgserlebnis natürlich sehr willkommen.
Somit stand es nach der ersten Zeitkontrolle 3-3, wenn man das Bauernendspiel von Andreas mit einschloss. Petar hatte gegen Wirig leichten Vorteil, den er zu einem Bauerngewinn verdichten konnte. Technisch war die Sache aber weiter schwierig. Igor Berezovsky verteidigte sich in seinem Franzosen weiterhin zäh. Dennoch waren seine Aussichten mit einem stützpunktlosen Springer gegen Läufer bei je Turm und Dame alles andere als rosig. So konnte er die Partie auch nicht mehr halten und es verblieb die Gelegenheit für die Zuschauer die letzten Minuten von Petars Partie zu verfolgen.Er hatte immer noch seinen Mehrbauern im Turm + Springer Endspiel und ausserdem vier gegen eine Minute Bedenkzeit. Dummerweise lief er in eine Zugwiederholung und musste in ein völlig lebloses Turmendspiel abwickeln, das er sichtlich frustriert nach einigen Zügen remis gab. Nach meiner Schätzung besuchten circa 30 Zuschauer die beiden Wettkämpfe. Am Ende scharten sich fast vierzig Kiebitze um die beiden Spitzenbretter. Dies ist umso bemerkenswerter, da drei weitere Mannschaften der Schachfreunde an diesem Sonntag Dienst hatten.