SSF-Youngsters Daniil Yasmo und Elias Gotfried mischen ganz vorne mit!
Beim Kandidatenturnier zur Württembergischen Einzelmeisterschaft in Heilbronn waren 6 Spieler der Stuttgarter Schachfreunde am Start. Es war ein schönes Turnier mit angenehmen Spielmöglichkeiten - der Saal im weitläufigen Uni-Komplex war gut gekühlt, aber an den Brettern ging es heiß her.
Für Aufsehen sorgten 2 unserer Jugendlichen:
Daniil Yasmo, talentierter Neuzugang von Strateg Stuttgart und gerade erst 14 geworden, war mit 2046 Elo schon an Platz 7 der Startrangliste gesetzt. (insgesamt 24 Teilnehmer)
Er spielte so wie er auch als Mitfahrer im Auto war - extrem ruhig! Die Auslosung der 1. Runde brachte ihn ausgerechnet mit Elias Gotfried zusammen, 13 Jahre und Elo 1829 (damals noch, jetzt nicht mehr) und im Kampf der SSF-Jungtalente setzte sich der noch Jüngere durch. Das ist nur auf den ersten Blick überraschend, denn beide hatten bei diesem Turnier einen Lauf!
Nach seiner Auftaktniederlage verlor Daniil nur noch gegen Markus Kottke, den 2. der Startrangliste (Elo 2218), hatte 2 aus 4 und ab da rollte er das Feld von hinten auf. Aus den letzten 5 Runden holte Daniil noch 4 Punkte. Was für ein starkes Finish das war, zeigt die Gegnerschaft: Daniil remisierte gegen Kevin Narr (Elo 2088) den späteren Turniersieger, ebenso gegen Karl Wartlick (Elo 2236) den späteren Zweitplatzierten und in der letzten Runde gewann er gegen Patrick Seitz (Elo 2149) den späteren Drittplatzierten und das auch noch ziemlich souverän. Lohn war der 4. Platz mit 6 aus 9 hinter dem punktgleichen Seitz, der beeindruckt war, wie kreativ Daniil ein seltenes Mittelspiel (jeweils Dame und 2 Springer mit einer Armee Bauern) zum Sieg führte. So kam Daniil Yasmo in die Preisränge mit einer Elo-Performance von 2105 (+32). Gratulation zu einer starken Leistung, das Siegerfoto sieht man hier:
Württembergische Einzelmeisterschaft Masters & Kandidatenturnier - Bericht
Zurück zu Elias Gotfried, bei ihm war der Turnierverlauf genau umgekehrt: Mit seiner harmlos aussehenden Elo von 1829 und Platz 19 der Startrangliste (aber DWZ schon 2007) war er der Wolf im Schafspelz. Und so legte er auch los, Sieg in der 1. Runde gegen Daniil, (Elo 2046, siehe oben) Remis gegen Tscharotschkin (Elo 2084) in Gewinnstellung, Pflichtsieg gegen Leßmeister (Elo 1819, der einzige von 8 Gegnern, der weniger Elo hatte..) und mit 2,5 aus 3 spielte Elias in Runde 4 schon ganz vorne an Brett 2. Nach der Niederlage gegen den starken Seitz, (Elo 2149) den späteren Drittplatzierten, verlor Elias zwar etwas an Schwung - es folgten 4 Remis in Folge- aber er spielte weiter auf hohem Niveau. Ein Highlight war die Partie gegen Markus Kottke (Elo 2218) in Runde 6, den Yasmo-Bezwinger: Gegen ihn hatte Elias eine siegverheißende Angriffsstellung aufgebaut, verpasste den direkten Gewinn, drückte dafür einen Freibauern durch und Dr. Kottke musste all sein Können aufbieten, um mit Turm, Läufer und Bauern gegen Dame und Bauern von Elias noch ein Remis zu halten. Diese Partie hatte Kottke anscheinend so geschlaucht, dass er die nächsten 2 Runden gegen nominell Schwächere verlor und aus dem Turnier ausschied...In der 8. Runde hießen die Spitzenpaarungen Wartlick - Yasmo an Brett 1 und Gotfried - Narr an Brett 2! Beide endeten Remis, daran sieht man, dass auch Elias bis zum Schluss um die vorderen Plätze mitgespielt hat. Leider ging dann die letzte Partie gegen Marius Hurm ("nur" Elo 1984) verloren, aber nach 8 Runden Vollgas ist das verzeihlich. Mit 4,5 aus 9 belegte Elias Gotfried den 10. Rang in der Schlusstabelle, aber die Elo-Performance von 2032 (+88) zeigt, wie er bei diesem Turnier aufgetrumpft hat.
4,5 aus 9 erreichte auch Josef Gabriel, u.a. mit Siegen gegen Kottke (ihm haben SSF 1879 bei dem Turnier schwer zugesetzt) und Daniel Goldinov (autsch!). Mit Rang 11 und einer Performance von Elo 1993 (+/-0) spielte er sein Niveau, aber Josef wäre nicht Josef, wenn nicht auch da mehr drin gewesen wäre: Er gehört für mich zu den heimlichen Gewinnern, denn er verlor zwar in heiß umkämpften Partien gegen die späteren Sieger Karl Wartlick (Platz 2, aber Josef hätte ihn mattsetzen können) und Kevin Narr (Platz 1, Josef wurde mattgesetzt, hätte sich aber davor gewinnbringend verteidigen können). Sind es die Ingwerbonbons oder ist es die alte Handballermentalität? Josef bleibt taktisch stets gefährlich.
4,5 aus 9 schaffte ich auch, gerade so mit einem Sieg in der letzten Runde. Aber wenn man mit 1,5 aus 5 startet, kann die Leistung nicht berauschend gewesen sein. Meine Elo-Performance von 1872 (-10) ist weit weg von den Leistungen der zuvor genannten Schachfreunde. Dafür spielte ich 2 x die längste Partie und wahrscheinlich waren das auch die mit den meisten Fehlern. Dass ich gegen Markus Schmidt verlor, war verdient. Überhaupt finde ich es nett, wenn die Punkte sozusagen in der Familie bleiben: Siegle verliert gegen Schmidt, Schmidt verliert gegen Goldinov, Goldinov verliert gegen Gabriel, das ist wie beim Faul Ei spielen. Da habe ich das Gefühl, solche Partien können gar nie komplett verloren werden, solange irgendwo noch ein Punkt bei einem SSF-Kollegen landet ;-)
Ich hoffe, dass auch Daniel Goldinov nicht zu sehr mit sich hadert, denn er war der Pechvogel unserer Fahrgemeinschaft. Mit 2 aus 3 war der Start gar nicht mal schlecht (gegen Patrick Seitz kann man schon verlieren, der spielte ja ein starkes Turnier und wurde Dritter) aber danach lief für Daniel nicht mehr viel: Zu lässig gegen Leßmeister, gegen Hurm war der Wurm drin, dann strafte ihn Erzengel Gabriel und anschließend wurde er auch noch von einer Birke erschlagen...er möge mir die Wortspiele verzeihen, das Tragische ist: Daniel hatte ein paar richtig gute Stellungen auf dem Brett, aber in Zeitnot verdarb er sie alle! Darum gönne ich ihm von Herzen, dass er mich beim Blitzturnier am Samstag Abend gnadenlos über die Zeit lupfte, ich habe ihn trotzdem heim gefahren...immerhin gelang Daniel in der letzten Runde eines für ihn verkorksten Turniers noch ein krasser Sieg gegen Max Stadtmüller: Er konnte sich aussuchen, ob er die gegnerische Dame einfängt, einen Freibauern durchschiebt oder auf Mattangriff geht. Gerade so, als ob Daniel alle ausgelassenen Gewinnmöglichkeiten in den Partien davor in diese letzte hineingepackt hätte - na bitte, geht doch!
Allgemein gab es im Kandidatenturnier viele spannende, kreative, aber auch haarsträubende Partien, wo es Spitz auf Knopf stand, hier ist die Fortschrittstabelle:
WEM-Kandidatenturnier 2024 - Fortschritts-Tabelle
Ich war so vertieft, dass ich vom parallel auf dem Podium laufenden Meisterturnier nicht sehr viel mitbekommen habe. Am meisten beeindruckt hat mich dort der junge Christopher Freiherr von Hauff aus der Bebenhausener Talentschmiede, wie gut er als vermeintlicher Underdog mit den Elo-Riesen mithalten konnte:
WEM-Masters 2024 - Tabelle
Ich könnte mir gut vorstellen, dass in den nächsten Jahren auch der ein oder andere Jugendspieler der Stuttgarter Schachfreunde 1879 in dieser erlauchten Runde mitspielt!
Gruß vom Spielleiter und Chauffeur
Florian Siegle