Am Samstag im MuseO war es so weit. Für 13 Uhr war der Stichkampf gegen die U14 von Untergrombach angesetzt, dem Zweitplatzierten der Badischen Vereinsmeisterschaft der U14-Teams. Untergrombach ist ein sehr renommierter Verein aus Nordbaden unweit Karlsruhe. Wer daran zweifelt, der möge sich bitte die Rangliste von Untergrombach anschauen und sehen mit welchen Pfunden sie in der Oberliga Baden am Start sind! Der Junge am 1. Brett der U14 ist zumindest für einen gelegentlichen Einsatz in der Oberliga vorgesehen, wie wir von den Untergrombacher Betreuern vor dem Raum 5 im 2. OG im Treppenhaus des MuseO hörten.
In der Jugend ist Baden sowieso sehr stark, und das galt also ganz sicher auch für Untergrombach. Vorsichtshalber habe ich unseren Spielern die Wertungszahlen ihrer Gegner nicht angegeben. Ich fürchtete, dass sie dann wieder so in Ehrfurcht erstarren könnten, wie in den letzten Runden in Murrhardt. Und ich mutmaße fast, dass wir dort gleich den ersten Platz hätten machen und uns damit eine Menge Stress ersparen können, wenn es auf den Mannschaftslisten in der Murrhardter Festhalle keine DWZ-Angaben gegeben hätte. Egal wie, nun waren unsere Spieler dran: Nicholas Reus (14, erst seit Juli im Verein!), Daniel Goldinov (13), Elias Gotfried (10) und Alexander Yudin (12).
Überall eher ruhige Partien ohne Ungleichgewichte, außer am 1. Brett. Da wurde es sehr schnell sehr taktisch. Nicholas´ Gegner spielt mit Schwarz selbst Caro-Kann und wählte als Weißer ein ehrgeiziges Abspiel in der Vorstoßvariante mit einem Doppelbauern auf der d-Linie, nach dem Abtausch der weißfeldrigen Läufer auf d3, und einem Bauernopfer auf b2. Nach schnellem f2-f4-f5 flüchtete Nicholas´ König zur Damenseite mit der halboffenen b-Linie. Später gab es auch eine halboffene g-Linie, nachdem Nicholas den g7-Bauern nicht mehr verteidigen konnte, bzw. wollte.
Jedenfalls glaubten wir lange an hoffentlich entscheidenden Vorteil für Schwarz wegen der recht sicheren Stellung bei einem bis zwei Mehrbauern. Doch irgendwie stand Schwarz vor vielen schweren Entscheidungen, und schließlich kam es zu erheblichem weißen Gegenspiel. Doch dann kam ein tolles schwarzes Turmopfer auf g2, so dass die Zuschauer schon an den sicheren Sieg für Schwarz glaubten, nachdem es kurz zuvor noch recht mau aussah für Nicholas. Und ein Sieg am ersten Brett zählt sehr viel bei einem KO-Spiel an vier Brettern, bei dem bei einem 2:2 die Berliner Wertung das Match entscheidet. Doch Nicholas´ Gegner fand klasse Gegenzüge, so dass unser Spieler am Ende das Remis durch Dauerschach erzwang.
In der Zwischenzeit hatte Elias´ Gegner nach Damentausch in einem Giuoco Piano die Gefahr unterschätzt, die von der plötzlich offenen d-Linie ausging, und Elias nutzte die taktischen Chancen optimal. Nach Turmverlust und schon bald drohendem Matt ließ Elias´ Gegner die Zeit ablaufen und zog nicht mehr. Klasse Elias, das war sehr gut!
Am vierten Brett sah ich leider keinerlei aktive Bemühungen von Alexander gegen den einzigen schwächeren Spieler auf Untergrombacher Seite, einem Mädchen mit DWZ 971. Stattdessen arbeitete Alexander mit Schwarz konsequent an seinem Festungsbau, und später mussten wir ihm sogar abraten Remis anzubieten. Es stellte sich heraus, dass er dachte, dass das Mädchen ein Rating oberhalb von 1400 hätte. Ja ja, die liebe DWZ, auch so rum kann das laufen. Unsere Buben müssen sich wirklich abgewöhnen angstvoll auf die gegnerische DWZ zu schielen, sonst können wir uns die Reise nach Berlin nämlich sparen! Denn dort sind noch ganz andere 13- bis 14-Jährige unterwegs als sie einem in Württemberg oder Baden begegnen können. In einem guten Moment, in dem wir neben Elias´ Gewinn auch an einen Sieg an Brett 1 sowie an ein sicheres Remis an Brett 2 glaubten, gestatteten wir ihm dennoch das ersehnte Remisangebot.
Doch so einfach sollte das nicht laufen. Daniels Springerendspiel mit ein paar Bauern auf beiden Seiten sollte uns Zuschauern einige Nerven kosten. Aus einer guten Stellung heraus preschte Daniel mit seinem d-Bauern zu schnell vor, so dass kein starker Freibauer dabei herauskam sondern ein künftiger Minusbauer. FIDE-Meister Wolfgang Schmid weilte lange unter den Zuschauern, konnte aber nicht bis zum Ende bleiben, da die anwesende Ehefrau noch andere Pläne hatte. So verließ er den Ort des Geschehens in der Erwartung, dass die Partie an Brett 2 verloren gehen würde. Und dann hätten wir das 2:2, bei dem die Niederlage an Brett 2 unseren Sieg an Brett 3 in der Berliner Wertung überwog und das Match für Untergrombach entschieden wäre.
Doch nun machte Daniel seine Sache gut. Sein Gegner hatte nicht optimal fortgesetzt und seinen König zu weit von der Mitte entfernt. Und nun hatte Daniel mit seinem König auf f5 bei weißen Bauern auf h2 und g3, sowie schwarzen Bauern auf h7, g7 und f6 die sehr gute Idee die schwarze Bauernstruktur auf dem Königsflügel mit dem Manöver h2-h4-h5-h6 auszuhebeln. Dem hatte der Gegner nichts mehr entgegenzusetzen. Doch Daniel folgte unserem Vorschlag (oder nennt man das Anweisung, wenn der Mannschaftsführer es sagt?) mit einem Remisangebot den Sack im Sinne eines Matchsieges zuzumachen! Danke Daniel, Ende gut, alles gut!
Damit fällt der dritte Startplatz für Baden-Württemberg bei der Deutschen Vereins-Mannschaftsmeisterschaft vom 26.- 29.12.2021 in Berlin an uns! Neben dem SC Ostfildern, der schon Erfahrungen auf Bundesebene gesammelt hat, werden wir die Württembergische Schachjugend bei einer ganz tollen, großen Deutschen Meisterschaft mit zwanzig Teams in der U14 in Berlin vertreten. Spielort wird das Hotel Maritim sein, während unser Vorstand Finanzen bei den Übernachtungen wahrscheinlich auf die nahe Jugendherberge hofft. Doch das wird der Veranstalter entsprechend der Infektionslage entscheiden. Wie auch immer, wir freuen uns alle auf Berlin!
Claus Seyfried
Stimmen zum Spiel
Florian Siegle: Hallo, dann geb ich mal auch noch meinen Senf dazu?? Dass Alexander Yudin an Brett 4 Remis spielen würde, war früh abzusehen, aber das gleiche hatte ich ehrlich gesagt auch an Brett 2 erwartet - ich hatte nicht den Eindruck, dass Daniel Goldinov bei dem Springerendspiel irgendwann mal gefährdet stand...? Im Gegenteil, in der Endstellung hätte er m.E. sogar noch gewinnen können, denn beide Springer müssen sich opfern und am Ende ist der weiße König schneller bei den verbleibenden Randbauern. Ich finde, dass er das gut gespielt hat. Elias Gotfried an 3 hatte zwischendurch die schlechtere Bauernstellung, aber wie er die offenen Linien gegen den König ausgenutzt hat, war sehenswert - was zählen Bauern, wenn man Matt drohen und einen Turm erobern kann! Die Chance hat er sofort ergriffen. Bleibt noch Brett 1, unstrittig das Highlight. Ich finde, dass beide deutlich über Niveau 1800 gespielt haben, der eine greift furchtlos an und der andere verteidigt kaltblütig, es gab viele taktische Wendungen und zwischendurch musste Nicholas Reus lauter einzige Züge finden, um die Partie noch zu halten. Am Ende wäre auch Remis durch Zugwiederholung möglich gewesen, aber die Variante, die Nicholas gewählt hat, Figurenopfer, um Dauerschach zu erzwingen, war viel schöner und passte gut zum gesamten Partieverlauf. Das war ein Kampfremis von der unterhaltsamen Sorte, die beiden haben mich echt beeindruckt. Kreativ und risikofreudig. Ich hatte am Sa leider noch eine Verabredung, sonst wäre ich geblieben und hätte noch ein bisschen analysiert. Auf jeden Fall hat es Spaß gemacht, ich traue dieser jungen Truppe noch einiges zu. Gruß an alle! Florian |
Untergrombachs Aufstellung in der Oberliga Baden: