Aufsteiger Stuttgarter SF schlägt den Liga-Favoriten mit 4½-3½
Igor Neyman besiegt GM Bence Korpa
Volodymyr Vyval setzt einen IM mit 300 ELO-Punkten mehr matt!
Was für ein Einstand? Am Samstag zuvor konnten wir noch bei
Harald Keilhack in der Stuttgarter Zeitung lesen:
„Für Stuttgart ist das Auftaktwochenende ein Himmelfahrtskommando, zunehmend gestaltet sich die 2. Liga zu einer Zweiklassengesellschaft mit Profi- und Amateurteams. ...
Es bleibt die vage Hoffnung, am Ende vielleicht als bestes der vier Amateurteams den Klassenerhalt zu schaffen” und
am selben Samstag:
„Bei den Begegnungen gegen Ligafavorit Emmendingen sowie Baden-Baden II geht es für den Gastgeber und Aufsteiger Stuttgart eher um Schadensbegrenzung ...”.
Und dann passiert so was. Aber es sei vorausgeschickt, dass außer dem
FIDE Grand Swiss auf der Isle of Man und dem zeitgleichen Spieltag der Schweizer Nationalliga,
die die Abwesenheit etlicher Spitzenspieler verursachten, auch die Schachgöttin Caissa ein wenig mitgeholfen hat. In zwei kritischen Partien war sie eindeutig auf unserer Seite.
Am letzten Brett taten sich Rolf Fritsch und Christof Herbrechtsmeier (Emmendingen) nichts zu leide. Die beiden kennen sich gut von Seniorenturnieren, und nach nicht allzu vielen Zügen kehrte Frieden ein. An Brett 7 geriet Robert Gabriel mit Schwarz gegen Hajo Vatter (Emmendingen) früh in Bedrängnis. Als es schon wirklich schlimm aussah, kam auch noch Zeitnot hinzu. Hajo Vatter hatte die Partie wahrscheinlich schon früh als ungefährdeten Sieg abgehakt, und dann spielt man bei gegnerischer Zeitnot vielleicht auch schon mal mit schnellen Zügen mit, um die Sache endlich hinter sich zu bringen. Doch dabei geschah das Unfassbare. Ein ungedeckter weißer Turm auf d1 wurde vergessen, und die schwarze Dame schnappte ihn ganz schnell. Außer Turmverlust auch gleich noch Matt! Robert selbst konnte es kaum fassen. Aber wir nehmen die Punkte gerne. Für Robert war es der Lohn zäher Verteidigung, und dass er niemals die Flinte ins Korn warf.
An Brett 5 war Volodymyr Vyval in einem Alt-Benoni in eine sehr gedrückte Stellung geraten, weiße Bauern auf d5 und e6, oh weh. Einzige Gegenchance war der weiße Läufer auf g5, dessen Rückkehr durch die Bauern f4 und h4 abgeschnitten war. Volodymyr riskierte es und spielte mit f7-f6 auf Figurengewinn. Das eröffnete aber dem Weißen gute Chancen dem schwarzen König zu Leibe zu rücken. Der schwarze Monarch musste die Grundreihe verlassen um seinen g6-Bauern zu verteidigen. Außerdem wurden die beiden h-Bauern getauscht, und ein schwarzer Springer verirrte sich in seiner Mission Impossible nach g4 ohne Aussicht auf Heimreise. Nun kam der entscheidende Moment. IM Lodici zog seine Dame von d3 nicht nach g3, sondern beschloss stattdessen den Sg4 von e2 aus anzugreifen. Aua peng bum: Th8-h1+ (die h-Linie ist offen, wir erinnern uns) Kg1xh1 Dd8-h8+ (der schwarze König stört nicht mehr auf der Grundreihe, wir erinnern uns) Kh1-g1 Dh8-h2 matt (Schwarz hat einen Springer auf g4, wir erinnern uns). Das waren die erzwungenen Züge. Selbstverständlich gab IM Lodici nach Th1+ sofort auf. Das war ein Schwarzsieg gegen einen Gegner mit 300 ELO-Punkten mehr! Welch ein Einstand für Volodymyr Vyval? Ach so, es war auch seine erste Turnierpartie nach 15 Jahren Pause.
Als erster Spieler überhaupt an diesem Samstag bei unserem denkwürdigen Match kam unser weiterer Neuzugang Christian Beyer mit Weiß gegen das klassische Französisch des ehemaligen Deutschen Jugendmeisters Jörg Weidemann in Vorteil. An dieser Stelle sei angemerkt, dass Jörg und ich uns vor vielen Jahrzehnten schon einmal begegnet sind. Er war 15, ich 17, und wir teilten uns das Zimmer bei einer Deutschen Jugendmeisterschaft in einem Ort namens Bockum-Hövel. Die Meisterschaft wurde von einem heute nicht mehr aktiven Peter Mack aus Mannheim gewonnen. Das brachte Letzterem vor allem eine schöne Reise zur WM mach Manila ein. Weiter mit Christian. Es war wirklich eine heiß umkämpfte komplizierte Partie. Ganz am Ende konnte nur noch einer gewinnen, und der hieß Beyer. Es hat mir ein wenig leid getan, als ich Christian sagen musste: „Der Wettkampf steht 4:2 für uns.”. Christian hat verstanden und auf einen möglichen Sieg zur Sicherung unseres Teamerfolgs verzichtet, so dass kurz später der viereinhalbste Punkt unter Dach und Fach war. Und das gegen den Ligafavoriten, unfassbar! Danach konnte auch Mark an Brett 2 seine hoffnungslose Partie aufgeben. Er war gegen GM Imre Hera früh in Schwierigkeiten geraten, die sich peu a peu verschlimmerten.
Am Spitzenbrett preschte GM Baklan gegen den Königsflügel unseres Ivan los, dass es einem Angst und Bange werden konnte. Doch Ivan geriet niemals ernsthaft in Gefahr.
Im Gegenteil, am Ende hofften wir sogar auf Gewinnchancen gegen den starken 26xx-GM. Aber es reichte noch nicht ganz zu einem Sieg.
Am Sonntag musste sich Ivan noch zwei Stunden, nachdem alle anderen Partien schon beendet waren, der Gewinnversuche des GM Gozzoli erwehren.
Aber auch hier zeigte Ivan keine Blöße und wehrte alles souverän ab.
Petar Benkovic erlitt an Brett 3 eine ziemliche überflüssige Niederlage gegen den jungen ukrainischen GM Shevchenko.
Doch am Sonntag konnte sich Petar zum Glück am algerisch-französischen GM Bellahcene schadlos halten.
Und nun kommen wir zu einem weiteren großen Erfolg unserer Spieler. An Brett 4 hatte es Igor Neyman mit dem ungarischen GM Bence Korpa zu tun.
Irgendwann im Mittelspiel konnte Igor einen Bauern schnappen. Mit geduldigem sauberem Spiel konnte Igor diesen Mehrbauern bis zum sicheren Sieg im Turmendspiel verwerten.
Bravo Igor, das war große Klasse, und endlich mal wieder einen Großmeister besiegt. Du hattest sicher schon Entzugserscheinungen?
Claus Seyfried
Rolf Fritsch gegen Christof Herbrechtsmeier, dahinter Christian Beyer gegen Jörg Weidemann.
Petar Benkovic (im karierten Hemd) gegen GM Shevchenko. Dahinter mit verdecktem Gesicht Volodymyr Vyval, ganz hinten Hajo Vatter (grünes T-Shirt) gegen Robert Gabriel.
Ivan Schițco hofft auf seine dritte GM-Norm!
Mark Kvetny. Dahinter erkennen wir Igor Neyman, Christian Beyer und Rolf Fritsch.
Lothar Schwarzburger feierte am Sonntag seinen Einstand in die zweite Liga.
Christian Beyer nach 6.Sa3. Am Sonntag lief es nicht ganz so gut.
Auch Igor Neyman konnte seinen großen Auftritt vom Vortag nicht wiederholen.
Das sind Mutter und Sohn.