Am Donnerstag letzter Woche haben wir telefonisch von seinem Neffen aus Thüringen erfahren, dass unser Schachfreund Horst Lotz hochbetagt zwei Tage zuvor verstorben ist. Hartmut Schmid hat diesen Nachruf verfasst.
|
Text: Hartmut Schmid Realisiert von: Claus Seyfried |
Ich selbst hatte übrigens meine ersten schachlichen Nachhilfestunden auch bei Horst Lotz, als ich Ende der 1980er Jahre in den Verein kam, Tarrasch, Aljechin+Co, der gute alte Stoff. Und ich war auch mehrmals Nutznießer seiner Buchgeschenke - er brauchte dafür keinen besonderen Anlass, Horst kaufte ein halbes Dutzend und verteilte sie freigebig an geschätzte Schachfreunde - und jedem einzelnen schrieb er eine handschriftliche Widmung vorne rein in seinem ganz eigenen altmodisch-erbaulichen Stil.
Darunter waren ein Schachkalender, eine Partiesammlung alter Meister, ein Band mit Goethe-Gedichten und zuletzt ein Buch über die Bekämpfung von Prostatabeschwerden mit Naturheilmitteln - letzteres haben glaube ich alle Ausschussmitglieder bekommen und er hat es einem ebenso anempfohlen wie die alten Meister oder den alten Goethe, genauso wertvoll und in jedem Fall zu beherzigen. Mens sana in corpore sano, für ihn war das immer klar. Das war typisch Horst Lotz: Er dachte ganzheitlich wie ein Anthroposoph, Schach für den Geist, Goethe für die Seele (am besten auswendig) und Naturheilkunde für den Körper. Über die Vorzüge einer basischen Ernährung konnte er ausdauernd referieren und er hielt sich selbst konsequent daran:
Ich werde nie vergessen, wie er bei einer Bezirksmeisterschaft in Sillenbuch 3 mitgebrachte Gläser samt Löffel neben dem Brett aufbaute und wortlos seinen basischen Spezialtee aus verschiedenen Kräutern und Pülverchen zubereitete mit dem heiligen Ernst eines Magiers. Das hypnotische Klackern vom Löffel im Glas war das einzige Geräusch im Spielsaal und alle Anwesenden hatten das Gefühl, Zeuge eines uralten, geheimnisvollen Rituals zu sein, irgendwo zwischen Merlin und Mephisto...
Horst Lotz war ein echtes Original, kauzig und verschroben, wie man es von Schachspielern erwartet, aber auf eine liebenswerte, menschenfreundliche Art. Einer, der die Anrede „mein lieber Schachfreund!” in Wort und Schrift immer gerne und im ursprünglichen Sinn verwendet hat.