94. Championat de Paris 7.-14.Juli 2019
Eine Stadtmeisterschaft von Paris mit 430 Teilnehmer und ich war der einzige Deutsche? War die Turnierausschreibung so schwer zu finden oder hält man Paris für ein zu teures Pflasterum Schachzu spielen? Als ich mir das zuvor im April ausgetragene Turnier in Malakoff anschaute, das liegt im Süden von Paris, war da mit Christoph Frick unter den 221 Teilnehmern auch nur ein Deutscher zu finden?!
Was das vermeintlich teure Pariser Pflasterbetrifft – etwas südlich gelegen aber mit gutzu erreichenden öffentlichen Verkehrsmitteln fand ich ein Hotel für 36 Euro! Nein, kein Schlafsaal, eine Art Studentenheim. Das Zimmerzwar ohne Ledersessel abermit Bad, WIFI und Frühstück. In 25 min ist manmit der RER-Bahn bei der Kathedrale Notre Dame. Die RER entspricht der S-Bahn, während die Metro der U-Bahn entspricht. Für diese Fahrten kauft man sich ein Touristen-Wochenticket, das kostet etwa 25 Euro undgilt für Metro, RER und die Busse, immergültig von Montag bis Sonntag. Und was das Essen betrifft, die Straßenbistros sind zwar sehr beliebtaber je nach Örtlichkeit auch nicht gerade billig. Eine Alternative waren für mich die in vielen Nebengassen zu findenden kleinen China-Restaurants, die habenalles hinter einer Glasvitrine platziert, da braucht jemand der wie ich nicht französisch kann nur mit dem Finger drauf zeigen.
Auf der Homepage der Stuttgarter Schachfreunde findet man unter der Rubrik „Turnierberichte“ einen Bericht von Gerd Lorscheid über diese Meisterschaft von 2012. Seither hat sich nicht viel verändert, die Turnierausschreibung war damals schon im Internet etwas versteckt zu finden, gespielt wird heute noch im Stade Coubertin, gut erreichbar mit der Metro oder dem Bus. Das Turnier ist auf die Pariser Bevölkerung zugeschnitten. Am Sonntag Auftakt mit Doppelrunde, bis zum Freitag ist der Spielbeginn jeweils um 19:00, die letzten beiden Runden am Wochenende dann vormittags.
Blick in den Turniersaal.
Der Veranstalter hat einen Nebenraum bewirtschaftet, es gibt Getränke, Kaffee, Sandwich und Kuchen. Gespielt wird in Gruppen nach Elo. Die Gruppe FIDE (ab Elo 2200), A (1800-2300), B (1400-1900) und C (<1500). In der A-Gruppe erwarteten mich also Gegner die man nicht unterschätzen durfte, denen man aber auch nicht hoffnungslos unterlegen war, eine gute Trainingsgelegenheit.
Meinletztes Turnier in Paris spielte ich vor etwa 40 Jahren. Damals gab es kaum französische Titelträger. Das mag der Grund sein dass 2019 in dem Turnier von den insgesamt 50 Veteranen 46 in der B-und C-Gruppe spielten. Seit 1980 hat das Schach in Frankreich bemerkenswerte Fortschritte gemacht und hat heute 49 Großmeister, das Elo-Niveau der Top-10 entspricht etwa dem von Deutschland. Die Erfolge in der Jugend liegen allerdings in den letzten Jahren wieder auf deutscher Seite, im Elo-Vergleich ist dies besonders deutlich bei der weiblichen Jugend. Gespannt darf man aber auf zwei ganz junge französische Talentesein : Marc Andria Maurizzi ist mit Elo 2412 deraktuelle U12-Weltranglistenerste und Marco Matera ist mit Elo 2243 der U10-Weltranglistenerste!
Die Pariser Stadtmeisterschaften werden seit 1925 ausgetragen, zuerst als Rundenturnier seit 1979 im Schweizer System. Anfang diesen Jahrhunderts waren es oft 600 Teilnehmer und klangvolle Namen sind in der Siegerliste zu finden: Lautier, Fressinet, Vachier Lagrave, Fedortchouk. In diesem Jahr war Jules Mossard Titelverteidiger und Turnierfavorit. Mossard ist bei uns wenig bekannt, in Pariswird er aber als zukünftiger Kandidat für die Nationalmannschaft gehandelt. Er wurde dieser Erwartung gerecht und gewann überlegen:
Bei 8,5/9 braucht man allerdings auch etwas Glück:
Weiß am Zug kann mit 51.Ta3! alles klar machen, nach 51…Kb2 tauschen sich die beiden Türme gegen die 2 Freibauern und der g-Bauer läuft durch. Guliyev spielte jedoch 51.g6? aber nach 51…Sc6 ist die Stellung remis [auf 52.Tc8 folgt 52…b3-b2]. Es folgte 52.g6-g7 Sxa7 53. g8=D a1=D+ und remis nach etlichen Schachs.
Schwarz am Zug zieht hier 51…Ke8. ein verstecktes Remis-Angebot? Vielleicht dachte Weiß „hier geht alles“ als er 52.Kf2?? zog. Nach 53…Sb4! [der Springer kann nicht geschlagen werden wegen 54…c4-c3] 54.Lxa5 Sd3+ 55.Ke3 Sxb2 56.Lb4 Sd3 57.La3 Se1 hieß es jedoch 0-1
Hier noch eine eigene Stellung aus der A-Gruppe. Schwarz hatte 31…Ld1? gezogen und dabei 32.Txf5! übersehen… Nun muss Schwarz den Turm nehmen und es ist Dauerschach! Zu meiner Überraschung zog der Gegner 32…Kg8?, die Jugend halt! Es folgte 33.Tf6 Dg5+ 34.Kf1 Lg3. Nun hätte 35.Se6 gewonnen, da der Turm den Springer nicht schlagen kann wegen Tf8+. Ich ging auf Nummer sicher mit 35.Txg6+, die Veteranen halt! Nach 35…Dxg6 36.Lxg6 Lxf2 37.Kxf2 hatte ich 2 Bauern für die Qualität und einen Gegner in Zeitnot, was zum Gewinn reichte. Am Ende kam ich auf 6,5/9 und hatte damit seit längerer Zeit wieder ein gutes Turnierergebnis.
Im FIDE-Open kam der 10jährige Materia Marco auf 4/9 und einer Elo-Performance von 2289! (Foto vom Turnierveranstalter)
Jules Moussard bekam gleich 2 Pokale. Den 2. Pokal (Foto vom Turnierveranstalter)
Die Sieger der C-Gruppe (127 Tn) v.l.n.r.: Sophie Parot de Sousa (3e), Anh Duc Nguyen (2e), Lelio Maisonhaute (1er) Morgane Dupuy-Salle (Jugendpreis)
Siegerehrung der FIDE-Gruppe (45 Teilnehmer)
Die Sieger der A-Gruppe (105 Tn) v.l.nr.: Raphaël Malassagne (2e), Soham Datar (1er), Vincent Bardy (3e), Hugo Caille (Jugendpreis)
Die Sieger der B-Gruppe (151 Tn): Remel Oney (2e), Nathan Martin (3e), Antoine Toussaint (1er)
Link zur Homepage des Veranstalters
Das Turnier war gut organisiert, die Turnierleitung immer ansprechbar! Ein Rundenbeginn um 19:00 erscheint etwas spät, für mich jedoch ideal um Paris zu erkunden. Eine Stadt bei der man hinterher feststellt, was man alles nicht gesehen hat und sich sagt „da sollte ich nochmals hin“
Kathedrale Notre-Dame mit Baugerüst nach dem Brand
sehenswerte Friedhöfe mit bekannten Verstorbenen
Markttag in Barbès
Die Mega-Suppenschüssel beim Chinesen
Bootsfahrt auf der Seine
letzte Runde am 14.Juli - französischer Nationalfeiertag
Walter Wolf, Juli 2019