Man muss schon suchen um irgendwo einen Verweis auf die Pariser Stadtmeisterschaft finden, einem Traditionsturnier das in diesem Sommer zum 86. Mal ausgetragen wurde. Selbst wenn man es gefunden hat, die Internetseiten hat man immer noch nicht, da sie als Kapitel auf den Verbandsseiten untergebracht sind. Meldet man sich dann per Email an, bekommt man keine Antwort. Irgendwann gab es dann eine dünne Teilnehmerliste und man glaubt im falschen Turnier gelandet zu sein. Diese Liste füllte sich dann aber beim Meldeschluss in kurzer Zeit auf gut 600 Teilnehmer. Gespielt wird in vier Gruppen, die streng auf 2200 begrenzte Topgruppe ist in der Spitze zwar nicht so sehr im Gesamtschnitt aber bestens besetzt.
Gespielt wird im Stade Coubertin im Südwesten der Stadt, sonst Heimat von Basketball Profis. Mit den angrenzenden Trainingshallen gab es mehr als genug Platz für Einzeltische, genügend Sauerstoff, lärmdämmenden Tepichboden, einfach gesagt ideale Spielbedingungen. Leider hatten nur die ersten 16 Bretter durch die Liveübertragung das Vergnügen an Holzbrettern zu spielen. Der Rest musste mit relative kleinen Plastikplanen und Figuren auskommen. Die Übertragungen wurden wiederum auf properietäre Internetseiten übertragen, an Werbung durch Chessbase war man nicht interessiert. Namensschilder schienen auch für die Besten zuviel Mühe zu bereiten. Ansonsten sollte man die Ausschreibung gut gelesen haben. In der Woche fanden die Runden arbeitnehmer- und touristenfreundlich abends um sieben statt, am Wochenende wieder früher. Da die Ansagen nur in der mir ziemlich fremden Landessprache gehalten wurden, gab es keine Erinnerung.
Das Turnier war eine einfache Sache für den Super-Großmeister Fedorchuk, der erst nach sechs Siegen friedlich wurde. Ein paar ausgebliebene Inder sorgten dafür, dass bei Normen die Ausländer gezählt werden mussten. Nicht wie woanders die Zahl der gegnerischen Titelträger sondern die der Einheimischen war das Problem. Einem jungen Schweizer wurde dies zum Verhängnis, da er zwar eine Norm erspielte, aber dies gegen sieben Franzosen. Ein wenig mehr Werbung im Ausland würde dieses Problem einfach beheben.
Der Turnierverlauf für mich war insgesamt positiv, wenn auch die folgenden Beispiele dies nicht vermuten lassen. Mit Schwarz gegen den Großmeister Jean-Pierre Le Roux gab es eine sehr interessante Eröffnung, dann eine vergebene Chance und schon war es aus: 1.e4 d6 2.Sc3 Sf6 3.f4 d5 4.e5 d4 5.Sce2 Sd5 6.Sxd4 Sxf4 7.Sgf3 Lg4 8.Sb3 Dd5 9.d4 De4+ 10.Kf2 e6 11.h3 Lxf3 (11... Lh5 12.Dd2) 12.Dxf3 Dxf3+ 13.Kxf3 Sg6 14.Sa5?! b6 15.Lb5+?
Die Eröffnung lief schlecht, aber hier hatte der Großmeister fehl gegriffen: 15... Kd8? (15... c6! und falls 16.Sxc6 a6 Der weiße Springer kommt nun nur unter Opfer der Zentralbauern wieder nach Hause) 16.Sc6+ und den Läufer auf c6 wurde ich nicht wieder los.
In der siebten Runde schaffte ich es mit Weiß gegen Großmeister Chabanon folgendes Endspiel zu verlieren.
52.Se2 Einfach stehenbleiben am Damenflügel remisiert problemlos. Ld7 53.Sd4? Sieht aktiv aus Kf6 54.Ke3 Ke5 55.Kd3? Ich wollte eigentlich auf a5 tauschen, da der verbleibende Bauer dann nicht mehr zum Läufer passt. Hab es aber einfach vergessen, was mir aber noch vor der Antwort meines Gegners auffiel. a4! Jetzt hab ich den Salat. Mit dem Spring auf c3 könnte ich b5 spielen. Nun aber ist die Stellung durch Zugzwang verloren. Für diesen Abend hatte ich eine Karte für Keith Jarrett in Zürich, aber für dieses Turnier und diese Partie ließ ich sie verfallen... Vor genau zwanzig Jahren hatte ich das Modern Jazz Quartet in Stuttgart verpasst, weil ich in der Zeit eins meiner schlechtesten Turniere in Dresden spielte. Die Motivation für die letzten beiden Runden war jedenfalls nach dieser Partie dahin, die Zeit konnte ich in Paris aber auch anders verbringen.
Gerd Lorscheid, 2012