Indien 2014


Mal ein Schachturnier in Indien

Über Indien hatte ich einiges gelesen, vor allem die Reiseberichte von Alexandra David-Neel. Im Herbst 2013 schaffte ich es bei meinen Reisevorbereitungen bis zu den Passfotos im indischen Format 50x50, scheiterte dann aber an dem aufwendigen Visa-Antrag. Im September 2014 folgte ein 2. Anlauf, das absenden des Visa-Antrages war wie das überqueren einer Brücke, alle weiteren Schritte waren nun klar. Knapp 7 Wochen, zu Beginn ein Turnier in Delhi und am Ende ein Turnier in Bhopal. Kaum hatte ich das Flugticket gelöst verschob sich jedoch im Internet das für Bhopal angekündigte Turnier auf Weihnachten, da bin ich schon wieder daheim. Die Suche nach einem Ersatzturnier war schwieriger als gedacht.

Zwar gibt es im indischen Schachkalender jede Menge Turniere, aber entweder waren das Jugendturniere oder regional begrenzte Turniere. Ich setzte mich mit Soumya Swaminathan in Verbindung, die ja letztes Jahre noch für die SSF gespielt hatte. Sie war sehr hilfsbereit und machte mir den Weg frei zu einem Turnier in Kalkutta, wo ich zuvor als Ausländer (=kein AICF-Mitglied) eine Absage bekommen hatte. Oder als Alternative ein Turnier in Nipani, das liegt in der Nähe von Goa. Um es kurz zu machen – es blieb bei mir bei dem Turnier in Delhi, ich hatte nicht nur die jugendlichen Gegner unterschätzt, sondern vor allem die Entfernungen in diesem großen Land, die mit Bahn und Bus nicht so leicht zu bewältigen sind. Und da es viel zu sehen gab, konzentrierte ich mich auf das herumreisen.

Diese Problematik der Turniersuche kann man leicht umgehen wenn man sich auf die großen indischen Open zum Jahresanfang konzentriert. Soweit ich gesehen habe finden die hier an gezeigten Open jedes Jahr zu einer ähnlichen Zeit statt.

In den letzten Jahren fand noch jeweils Anfang Januar direkt vor dem Delhi-Open ein größeres Turnier in Gurgaon statt, das ist ein Vorort Delhis. Zu Gurgaon und Bhopal konnte ich für 2016 noch keine Informationen finden.

Im Internet buchte ich vorab ein Hotel in der Nähe des Turniers, ich dachte mir zur Not kann ich zum "Turnierlokal" auch laufen, das war aber völlig illusorisch, die bei Google angegebenen Entfernungen schienen mir nicht zu stimmen.

2 Runden am Tag, das waren dann täglich 5 Fahrten mit der Rikscha, da ich selbst auf dem Weg vom Speiselokal zum Hotel die Orientierung verlor.

ALL INDIA OPEN FIDE RATING CHESS TOURNAMENT FROM 05-09 NOV 2014 NEW DELHI

Soumya hatte mich auch darauf aufmerksam gemacht, dass bei dem kleineren Turnier in Delhi das ich vorhatte zu spielen, die indischen Spieler im Elobereich von 1800-2000 um etwa 100-200 Punkte gegenüber europäischen Spielern unterbewertet sind. Das war nicht übertrieben, dies liegt wohl auch daran dass diese Spieler oft noch sehr jung sind und in Turnieren meist untereinander spielen. So ist doch die Hälfte der 1200 Millionen Inder jünger als 27 Jahre.

248 Inder, 1 Australier und ich. In dem 9-rundigen waren 7 meiner Gegner im Alter von 10-13 Jahren, ich schaffte es also gar nicht in den Bereich der Gegner mit Elo 1800-2000. Bei meinem Turnier letztes Jahr in der Türkeinahmen 500 Jugendspieler teil, diese Länder sind also schachlich schwer im kommen. Auch in Delhi waren viele der Jugendspieler von einem Elternteil begleitet, meist war es die Mutter. Was mich bei den indischen Jugendlichen überraschte war die große Anzahl an Turnieren die sie spielten. Ich hatte einen 10-jährigen Gegner der 16 gewertete Turniere im Jahr 2014 gespielt hatte! Ein anderer mit 13 Jahren erzählte mir, daß er in Kalkutta in einer Fördergruppe von 5 Jugendspieler ist, die von verschiedenen Trainern betreut werden. Jede Woche ist 2 x Training, jeweils 3-5 Stunden. Er sagte mir er will sich jeden Monat um 50 Elo-Punkte verbessern. Ein Inder der auch schon in Europa gespielt hatte erzählte mir, dass es auch Jugendliche gibt, sich von der Schule freistellen lassen für ein Jahr oder länger um dann nur Schach zu spielen. Ich weiß nicht inwieweit das was ich hier schreibe typisch für das indische Schach ist, man braucht sich aber um die Zukunft des Schachs keine Sorgen zu machen.

Mein Turnierergebnis war bescheiden, trotz einiger für mich glücklichen Wendungen. Andererseits war es ein Turnier abseits von Chessbase, also wieder mal ein Turnier so wie „früher“. Hier ein paar meiner Partiestellungen, nichts qualitatives aber hoffentlich unterhaltsam.

Das Reisen in Indien empfand ich als „abwechslungsreich“. Hier noch ein paar fotografische Eindrücke. Näheres hierzu kann man in meinem Reisebericht nachlesen.

der aus dem massiven Fels geschlagene Kailash-Tempel in der Nähe von Aurangabad (Ellora-Caves)

  Walter Wolf, Sindelfingen, 2.2.2015

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