Gute Herbstturniere kenne ich nicht viele. Schließt man Deizisau mit seinen Doppelrunden aus und kann man sich auch nicht für Bad Wiesse mit seinen 500 Teilnehmern in einer Gruppe begeistern, so bleibt Hoogeveen südlich von Groningen in einer Heide- und Weidelandschaft. Nachdem ich vor acht Jahren bei meinem ersten Besuch in einer relativ teuren Pension wohnte, fiel die Wahl diesmal auf den Ferienpark Westerbergen wenige Kilometer entfernt. Dort hat man integriert in einem Campingplatz mit vielen Freizeitangeboten um die hundert Ferienwohnungen als Bungalows gebaut und weiterhin gibt es auf der Wiese verteilt "Chalets", eine Art Wohncontainer mit ebenfalls voller Austattung. Meiner war so 40 Quadratmeter groß und enthielt alles was man braucht. Bad und die beiden Schlafzimmer waren zwar holländisch bemessen, der Wohnraum dafür relativ groß. Zugelassen für vier Personen ist dies wohl nur Holländern zuzumuten, alleine für gut 30 Euro die Nacht schlägt es aber jedes enge Hotelzimmer.
Spielort ist das Rathaus der Stadt, was die Wertschätzung des Turniers zeigt. Für die Mitarbeiter dort gilt für eine Woche der Ausnahmezustand. Das Turnier ist nach meinen Erfahrungen typisch für holländische Turniere bestens organisiert. Einzeltische und Holzbretter, gratis Kaffee und Tee, direkter Sichtkontakt zum 2700er Topturnier dominiert von Kramnik in Topform, Analyseraum mit Kommentator, alle Partien abends im Netz, kompetente Schiedsrichter...
Das Wohlbefinden hängt in der Jahreszeit natürlich etwas vom Wetter ab. Spielt man schlecht und regnet es, sieht die Welt ziemlich trübe aus. Beides war diesmal nur selten bei mir der Fall. Empfehlenswert ist das Turnier trotzdem, was sich in Deutschland noch nicht wirklich rumgesprochen zu haben scheint. Neben Vökler mit seiner Nachwuchstruppe spielte ausser mir nur ein weiterer Deutscher mit. Der Platz im Rathaus der Stadt mit 60.000 Einwohnern ist begrenzt, die Plätze im Open und den beiden schwächeren Challenger Turnieren früh vergeben. Es ist nichts für Kurzentschlossene. Gesponsort wird die Veranstaltung von einer Versicherung und auch eine Glasmanufaktur spielt mit. So hat bei meinder ersten Teilnahme das Topturnier mit Glasfiguren gespielt, zu Zeiten der Internetübertragung stand diesmal nur ein geniales Brett als Dekoration (oder Preis?) daneben.
Das Turnier lief für mich im typischen Ping-Pong Modus. Siege gegen Schlechtere folgten jeweils direkt Niederlagen gegen Bessere. Nach acht Runden waren es 50% und dies ohne ein einziges Remis. Die neunte Runde fiel dann aus um einen Tag später in brauchbaren Zustand zum Mannschaftskampf in Biberach auflaufen zu können. Als Anlage zwei Partien. Einmal Ping und einmal Pong.
Gerd Lorscheid, 2011