Open Cappelle la Grande 2011


Turnierbedingungen (Gerd Lorscheid)

Cappelle la Grande ist ein kleines Dorf wenige Kilometer westlich von Dünkirchen. Es gibt zwar eine große Stadthalle, ein Hotel ist mir in dem Ort nicht bekannt. Will man nicht in einer der Hotelketten an der nächsten Autobahnausfahrt absteigen, hat man die Wahl zwischen Dünkirchen Stadt und dem nördlich davon gelegenen Vorort Malo les Bains. Dort gibt es kilometerlangen Sandstrand, viele kleine Hotels und jede Menge Restaurants. Bis zum Spielort ist es mit dem Auto 10 Minuten. Man sollte früh buchen, da das Turnier immer zu Fastnacht stattfindet und es Konflikte geben kann.

Das Turnier wird in einem beschleunigten Schweizer System gespielt. Man nimmt die zu erwarteten ersten beiden langweiligen Runden eines offenen Opens mit 600 Teilnehmern vorweg und gibt den Spielern die zu erwartenden virtuellen Punkte. Somit haben Spieler ab 2150 dann schon zwei Punkte, ab 1600 einen und der Rest startet ohne. In der dritten aber real ersten Runde spielt der Topgesetzte somit gleich gegen einen Spieler mit 2400 und mit 2300 kommt man gegen einen 2500er. Verliert man, so kommt man gegen einen Spieler mit 2000, der die Runde zuvor gewonnen hat. Punktet man aber so sind die nächsten guten Gegner garantiert und somit ideale Bedingungen für eine Norm. Ungekehrt spielt ein Spieler mit 2000 zuerst gegen einen etwas schwächeren Spieler und muss gewinnen um dann einen Guten zu bekommen. Ab der siebten Runde werden die virtuellen Punkte dann herausgenommen, um eine objektive Schlusstabelle zu erhalten.

Die Oranisatoren geben sich sehr viel Mühe mit dem Turnier. Die Spielbedingungen in der Halle sind optimal, sie ist sehr hoch womit ausreichend Luft garantiert ist. Namensschilder, Nationalflagge sind obligatorisch für alle 600 Spieler. Ein Busservice zu den Hotels wird angeboten. Es sind ausreichend und gut geschulte Schiedsrichter (z.B. GM Raetzky) am Ort. In dem Gebäude gibt es eine Großküche, mit deren Hilfe Mittags und Abends ein Menue anbietet. Obwohl es für Titelträger frei ist und für andere nur 10 Euro kostet sind die Restaurants in Malo vorzuziehen. Die Preise für die Topplätze sind für die starke Besetzung bescheiden, Antrittsgeld ist wohl der Magnet für die vielen Topspieler. Es gibt aber viele und sehr gut dotierte Ratingpreise, was die letzten Runden auch an hinteren Brettenr noch einmal spannend macht. Ein Steckenpferd ist die Teilnahme von Spielern aus möglichst vielen Nationen. Ist man der erste aus einem Land hat man gute Chancen auf eine Einladung. Das Turnier funktioniert so nur mit einem kräftigen Sponsor (Gemeinde?) im Hintergrund, sind doch ein Drittel der Teilnehmer eingeladen.

Turnierbericht (Christoph Mäurer)

Das schon legendär gewordene Open in Cappelle la Grande fand dieses Jahr zum 27. Mal statt und bot wieder einmal ein sehr interessantes Teilnehmerfeld auf. Die Zeiten in denen über 100 GM in den Nordosten Frankreichs gelockt wurden sind zwar vorüber, aber 71 GM und 54 IM sind schon sehr beachtlich, wenn man sieht, dass anderswo der Turnierbetrieb eingestellt wird. Unter die 575 Teilnehmern aus 56 Ländern hatten sich auch Gerd und ich gemischt. Aus Deutschland waren dieses Jahr weniger Teilnehmer angereist, was an der Überschneidung mit der deutschen Schachbundesliga gelegen haben dürfte.

Turniersaal-Cappelle.jpg

Bildquelle: Veranstalter

Die Setzliste führte der Inder Sasikiran mit Elo 2690 an. Nach einer Niederlage in der 4. Runde gelang es ihm nicht mehr in den Kampf um den Turniersieg einzugreifen.

Vovk,Yuri - Sasikiran,Krishnan

In Cappelle kommt man auch als Kibitz auf seine Kosten. Die Meute, die um den ersten Platz kämpft ist so riesig, dass an den vorderen Brettern ziemlich gekämpft wird und es für die Favoriten nicht möglich ist, durch Kurzremisen untereinander ans Ziel zu kommen. Zumal in Cappelle Remisvereinbarungen vor dem 20. Zug untersagt sind. Als Beispiel für das Kampfschach in Cappelle habe ich folgende Partie ausgewählt, die zwar nicht fehlerfrei, aber sehr interessant ist:

Fargere,Francois - Hebden,Mark L

Die Führung an der Spitze wechselte ständig. In der letzten Runde konnte sich Grzegorz Gajewski ganz nach vorne schieben. Der 25-jährige Pole - nach dem eine Variante der Spanischen Partie benannt ist - zeigte zwar kein brillantes Schach, überzeugte aber bei der Chancenverwertung, siehe seine Schlussrundenpartie:

Gajewski, Grzegorz - Jankovic, Alojzije

Mich beeindruckte, mit welcher Liebe zum Detail das Turnier organisiert wird. An jedem Brett werden Namensschilder und Fähnchen mit der jeweiligen Nationalflagge aufgestellt. Die Ansagen vor der Runde werden in 3 Sprachen (Französisch, Englisch und Russisch) durchgeführt und für den Transport der Teilnehmer zwischen Cappelle und dem 10 Autominuten entfernten Dunkerque, wo die meisten Spieler untergebracht waren, wurden drei Busse eingesetzt. Wer sich selbst ein Bild von der Turnieratmosphäre machen möchte, sollte mal einen Blick auf die Turnier-Homepage werfen. Dort sind auch mehrere Videos eingestellt. Mein Ziel in Cappelle war es vor allem wieder etwas Spielpraxis zu sammeln. In letzter Zeit hatte ich nur Mannschaftskämpfe gespielt und war taktisch ein wenig eingerostet, was sich gleich in Runde 1 zeigte:

Vovk, Andrey - Mäurer, Christoph

Avron, David - Mäurer, Christoph

Insgesamt war es für mich ein schönes Trainingsturnier und am Ende landete ich bei 5½ Punkten, was OK, aber auch nicht überragend war. Das Turnierschicksal von Gerd entschied sich wohl schon in der ersten Runde. Gegen den russischen GM Igor Naumkin erspielte er sich eine Gewinnstellung. Bei der kombinatorischen Verwertung übersah er einen taktischen Gegenschlag, der die Partie auf den Kopf stellte. Mit einem Sieg wären ihm wegen des in Capelle angewendeten beschleunigten Schweizer Systems zwei weitere Großmeister als Gegner sicher gewesen. So kam er aber nicht so recht in Tritt und beendete das Turnier bei 5 Punkten.

Naumkin, Igor - Lorscheid, Gerd

Zusammenfassend kann ich jedem Schachfreund nur empfehlen diesen Klassiker unter den Openturnieren auch einmal zu besuchen.