Die Stuttgarter Schachfreunde trauern um ihren 1. Vorsitzenden Claus Seyfried
* 30.09.1955 † 02.06.2022
„Ich möchte mich künftig noch mehr um unsere Jugendlichen kümmern“, das war sein Ziel, wenn die akuten gesundheitlichen Probleme überstanden wären und auch der von ihm redigierte „Newsletter“ des Schachverbandes Württemberg lag ihm sehr am Herzen.
Aber dazu sollte es nicht mehr kommen: am 2. Juni 2022 ist Claus Seyfried, unser 1. Vorsitzender seit Juni 2016 im Krankenhaus verstorben. Unser Mitgefühl gehört den Angehörigen; er hinterlässt eine riesengroße Lücke.
Es ist keine 3 Jahre her, dass Claus Seyfried einen Nachruf auf Harald Wohlt mit den Worten eingeleitet hat: "Es ist etwas Unfassbares passiert." Damals hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich jetzt einen Nachruf auf Claus Seyfried verfassen würde, der mit den gleichen Worten beginnt. Wie Harald wurde auch Claus völlig unerwartet aus einem aktiven (Schach)leben gerissen, Harald mit 67, Claus mit 66, beide weithin bekannt. Viel zu früh und viel zu plötzlich.
Eigentlich ein "Rei´gschmeckter" aus Mainz, schaffte es der frühere hessische Jugendmeister, dem urschwäbischen Verein seinen Stempel aufzudrücken. Es ist sicher nicht übertrieben zu sagen, dass Claus in der Zeit seines Wirkens zum Gesicht der Stuttgarter Schachfreunde 1879 wurde, respektiert, geschätzt, manchmal auch gefürchtet ob seiner pointierten Statements. Wenn Claus von einer Sache überzeugt war, kämpfte er mit aller Leidenschaft dafür, riss mit seiner Begeisterung die einen mit, verschreckte die anderen, rüttelte an liebgewordenen Traditionen und stritt lustvoll für seine Sache - behäbige Harmonie war nicht sein Ding: Bloß kein Stillstand, wo Claus war, herrschte Aufbruch (oder Aufruhr?), manch einer kam gar nicht hinterher mit den vielen Plänen und Visionen, die er für seinen Verein entwickelte.
Als Mathematiker und IT-Spezialist brachte er die Homepage auf Vordermann, plötzlich strotzte die vor aktuellen Berichten mit jeder Menge Fotos und links - hier zeigte sich die journalistische Ader von Claus, er konnte nicht nur in jeder Lebenslage einen flapsigen Spruch bringen, sondern auch wunderbare Artikel schreiben, humorvoll und selbstironisch. Auch um die Lücken in der Historie kümmerte er sich, so kann man auch die ganz alten Ausgaben vom "Schachfreund" herunterladen und unvergessen ist seine Würdigung der 68er-Meistermannschaft anlässlich des 50-jährigen Jubiläums. Seine Verbundenheit mit dem Verein zeigte sich in vielfältiger Weise: Sei es beim Anwerben starker Spieler für die 1. Mannschaft, beim Entwurf des neuen Mitgliedsantrags oder beim flächendeckenden Einkleiden der Kinder und Jugendlichen in den blau-gelben SSF-Vereinstrikots - es gab kaum ein Feld, das Claus nicht beackerte!
Wenn entgegen dem Trend die Mitgliederzahl während Corona um 20% zunahm, ist dies zuallererst das Verdienst von Claus. Und wenn der ein oder andere vorsichtige Funktionär ein Jugendturnier vielleicht doch noch lieber ausfallen lassen wollte, machte Claus solange Druck, bis es doch stattfand und stellte auch gleich noch den Saal zur Verfügung, damit "seine" Kinder und Jugendlichen Spielmöglichkeiten hatten.
Überhaupt die Jugend: Ihr hatte sich Claus besonders verschrieben, er kämpfte für Freiplätze, für die Teilnahme an Meisterschaften und baute eine Mädchenschachgruppe auf. Während andere skeptisch waren, setzte er sich voll ein, notfalls im Alleingang. Denn so war Claus - Idealist und Dickkopf zugleich, er brannte immer für die gute Sache: Nicht zaudern, einfach machen, war seine Devise! Woher er die Zeit und die Energie dafür nahm, dazu noch Betreuer, Organisator und Chauffeur vom Bundesliga-Team, Vizepräsident im Verband, verantwortlich für den prall gefüllten News-Letter, den er jeden Monat pünktlich ablieferte, flott kommentiert und perfekt redigiert, und das alles neben dem Beruf, das war schon fast unheimlich.
Vielleicht hat sich Claus zu viel zugemutet. Er wollte kürzertreten, hatte angekündigt, den Vorsitz abzugeben und wollte sich nach seiner Genesung nur noch um seine beiden "Lieblingsthemen", die Jugendförderung und den Newsletter kümmern. Noch aus dem Krankenhaus nahm er Anteil am Vereinsgeschehen, aber seine Kommentare wurden kürzer und blieben zuletzt ganz aus. Kurz vor der Herz-OP, die eigentlich ein Routine-Eingriff sein sollte, ist Claus gestorben. Nicht nur im Verein, im gesamten Verband löste dies Bestürzung und Fassungslosigkeit aus.
Wir wollen Claus so in Erinnerung behalten, wie ihn alle kennen: Ein Schwergewicht im Verein und im Verband, streitbar, schaffig, meinungsstark, voller Idealismus und Tatendrang. Claus ist nicht zu ersetzen, aber er hat den Verein verjüngt und nach vorne gebracht. Das ist ein Vermächtnis, das bleibt und dem sich die Stuttgarter Schachfreunde 1879 verpflichtet fühlen!
Text: Hartmut Schmid / Florian Siegle
Claus Seyfried mit Spielern der 1. Mannschaft und Meisterbrett (2019 in Stuttgart-Vaihingen)