Am Ende mit dem Remis zufrieden!?


Obwohl die Gmünder ihr Spiellokal mit einer riesigen Baustelle von der B29 abgeschottet hatten, waren wir um 09:45 Uhr vollzählig und pünktlich wie die Maurer im Haus des Handwerks zur Stelle. Witzigerweise gab es am Freitag zuvor einen Artikel in der Gmünder Tagespost In Runde zwei der zweite Sieg. Neben einem optimistischen Text, in dem sie aber dennoch vor den erfahrenen Stuttgarter Spielern wie insbesondere Hartmut Schmid warnten, gab es noch ein Foto des Gmünders Andreas Hönick. Diese beiden waren dann die einzigen, die für den Gegner unerwarteter Maßen fehlten. Für die verhinderten Hartmut Schmid und Lothar Schwarzburger hatten wir Dieter Hottes und unser neues Mitglied Bernhard Sporrer am Start, der in Runde 1 der Landesliga schon seine Partie an Brett 1 der Dritten souverän gewonnen hatte.

Als ich um 09:45 Uhr meine ausgedruckte Mannschaftsmeldung abgeben wollte, war kein Schiedsrichter in Sichtweite. Daran hat sich auch später nichts geändert. Auf Vorschlag von Andreas Weiss haben wir trotzdem pünktlich um 10:00 Uhr ohne Schiedsrichter begonnen. An Brett 5 opferte mein Gegner sehr früh einen Bauern für Damentausch mit Rochadeverlust und schönem Figurenspiel für ihn. Anfangs war ich recht optimistisch einen Vorteil behaupten zu können. Doch dann gelang es Walter Pohl soviel Material abzuholzen und wegen meiner schlechten Königsstellung auf e1 (von d1 aus musste er leider in die falsche Richtung) gleichzeitig auch seinen Minusbauern zurückzugewinnen, dass ich keine vernünftige Möglichkeit mehr sah auf Gewinn zu spielen und sein Remisangebot annahm.

An Brett 4 versuchte es Wilhelm Haas' Gegner Jewgeny Denisow mit dem Morra-Gambit, war damit aber genau an den Richtigen geraten. Wilhelms Vorteil mehrte sich langsam aber stetig, bis er seinem Gegner mit Tc3 schockieren und den wichtigen Bauern e3 erobern konnte. Es war der einzige Start-Ziel-Sieg an diesem Tag. So hat sich Wilhelm sein bestes Geburtstaggeschenk selbst beschert!

An Brett 8 hatte Bernhard Sporrer mit Schwarz aus einem Damengambit heraus wegen des Läuferpaars die minimal bessere Stellung in einem remislichen Endspiel. Nach dem Remisangebot seines Gegners Gerhard Friedrich fragte er mich was er tun solle. Wegen des Läuferpaares und da ich ihn als den viel stärkeren Spieler einstufte, sagte er ich, wenn er risikolos weiterspielen könne, solle er das tun. Das war möglicher Weise mein größter Fehler an diesem Tag. Auf der Suche nach nicht vorhandenen Gewinnstrategien verlor Bernhard viel Zeit und verdarb am Ende die Partie völlig überflüssig in Zeitnot. Ein halber Punkt weniger, den wir am Ende schmerzlich vermissten.

An Brett 2 kam Josef Gabriel mit Schwarz gegen IM Josef Jurek gut aus einer königsindisch ähnlichen Eröffnung heraus. Im weiteren Verlauf hatte er aber zu selten Gelegenheit sich per Figurentausch Entlastung zu verschaffen. Nachdem sich dann sämtliche Schwerfiguren Josef Jureks auf der offenen B-Linie breitgemacht hatten, war es nur leider noch eine Frage der Zeit wann die sich mehrenden Drohungen nicht mehr alle zu parieren waren.

An Brett 3 zwischen Martin Hofmann und Andreas Weiss war offensichtlich, dass beide Spieler gewinnen wollten. Zuerst war ich vorsichtig optimistisch für Martin, später aber gar nicht mehr, bis sein Gegner in beiderseitiger Zeitnot nicht mehr optimal fortsetzte. Martin fand dann den richtigen Plan seinen entblößten König per Wanderung rüber zum Damenflügel vor den Schachgeboten der schwarzen Dame zu schützen um anschließend seine Freibauern zur Geltung zu bringen. Das war kurz nach der Zeitnotphase ein sehr wichtiger Sieg.

An Brett 7 kam es zu einer heißen Partie zwischen Dieter Hottes und Matthias Reichert. Schwarz kam an eine Stelle, wo er seinen nicht ganz fundierten Königsangriff mit einem möglicherweise zweifelhaften Figurenopfer fortsetzte. Auf der halboffenen G-Linie hatte nun aber plötzlich auch Weiß Gegenchancen. Nur die ungünstige Königsstellung stand einem sofortigen Sieg im Weg. Danach konnte ich die Partie wegen Zeitnot an den Brettern 1 bis 3 nicht mehr weiterverfolgen. Am Ende stand es mit den Figuren gleich, Dieter Hottes hatte ein paar Bauern weniger, dafür aber einen auf e7. Der weiße König hatte sich Richtung Damenflügel auf den Weg gemacht und Dieter Hottes' Gegner war froh, dass er am Ende ein Dauerschach erzwingen konnte, denn der schwarze König stand auch gefährdet.

Nun stand es 3:3 und es liefen noch zwei Partien. In beiden hatten unsere Leute die schlechteren Karten. Nachdem ich zeitweise von 4 Gewinnpartien auf Stuttgarter Seite geträumt hatte, machte ich mir nun ernsthafte Sorgen, dass der Wettkampf verloren gehen könnte.

An Spitzenbrett spielte unser FM Wolfgang Schmid gegen IM Frank Zeller"s Igel-Sizilianisch mit e6, a6 und g6. Im Laufe der Partie konnte der IM Drohungen auf dem Königsflügel entwickeln. Nachdem der letzte Turm abgetauscht war, konnte die schwarze Dame über C8 und C2 am weißen Damenflügel auf Beute ausgehen. Aber Wolfgangs Gegenspiel während seiner eigenen Zeitnot war stark genug Frank Zeller in ein Leichtfigurenendspiel mit wenigen Bauern zu zwingen. Da Frank Zeller inzwischen auch in Zeitnot geraten war, gab es zum Glück noch ein kleines, aber entscheidendes Geschenk in Form eines schwarzen Bauern auf h6, der vom verbliebenen Läufer mit Schachgebot geschlagen werden konnte. So reichte die weiße 2:1-Bauernmehrheit am Königsflügel gerade so aus, um den freien schwarzen A-Bauern, für den sich der Läufer opfern musste, zu kompensieren. Der weiße König durfte auch kein Tempo später im Zentrum erscheinen, um Wolfgangs Remis gegen den IM und vielfachen Württembergischen Meister sicherzustellen.

Einen bewegten Verlauf nahm auch Alexander Wettengels Partie. Die Angriffsversuche des Weißspielers Gerd Bader konterte er mit aktivem Figurenspiel und eroberte so schließlich die Qualität. Nun war es an Gerd Bader Initiative zu entwickeln, was ihm auch gelang. In Zeitnot hatte Alexander am Ende die Wahl noch mindestens einen zweiten Minusbauern und gleichzeitig einen starken weißen Läufer auf der großen weißen Diagonalen hinzunehmen, oder die Qualität bei Minusbauer zurückzugeben. So entstand ein Turmendspiel mit freiem weißem C-Bauern, während beide noch alle drei Bauern f-h beweglich auf dem Königsflügel hatten. Zum Glück stand der weiße Turm suboptimal manchmal vor und manchmal neben seinem C-Bauern, so dass Weiß nicht recht vorankam. Als schon alle anderen Partien beendet waren, entwickelte sich das schließlich zu einem Endspiel K + T + f-Bauer gegen K + T. So konnte einem Bader am Ende schon fast leid tun, als er glaubte seinen Mannschaftskollegen noch ein paar vollkommen aussichtslose Gewinnversuche zu schulden. Jedenfalls hat Alexander das Ding ganz souverän remis gehalten und so unser 4:4 sichergestellt.

Klar, wir hätten gewinnen können, wir hätten aber auch verlieren können. So sind wir dieses eine Mal mit dem Unentschieden gerade noch so zufrieden.

17.10.2010     Claus Seyfried