Sieg am Wahlsonntag


Das Auswärtsspiel der Vierten am historischen Datum war nicht frei von Hindernissen: Erst wurde der Bus verpasst, weil man eine Haltestelle zu früh in Leinfelden ausgestiegen war (statt in Echterdingen) anschließend stand noch ein morgendlicher Fußmarsch durch Stetten an - warum müssen die ihr Spiellokal auch oben auf dem Berg haben? Immerhin kam so der Kreislauf auf Touren und die Stettener hatten die Uhren netter Weise noch nicht angestellt.
Überschattet wurde die Begegnung durch einen Todesfall in der Familie, weshalb Birger Boyens nicht wie geplant spielen konnte. Durch einen jener merkwürdigen Zufälle wie sie manchmal im Leben vorkommen, fiel bei Stetten aber auch ein Mann aus - ausgerechnet Birgers Gegner. So gab es an Brett 2 ein doppeltes "-/-" und nur noch 7 Punkte zu verteilen.
Für SF Viskin spielte diesmal Wolfgang Bareiß am Spitzenbrett. Gegen Zöllmer hatte er Druck am Königsflügel für den geopferten Bauern, Schwarz war die meiste Zeit mit der Verteidigung beschäftigt. Auch nach Damentausch standen Turm und König von Weiß so aktiv, dass das Endspiel trotz Minusbauer remis endete. Punkteteilung auch an Brett 3, Kaplunov gegen Schieweck: Trotz Dame, Leichtfiguren und etlicher Bauern auf dem Brett erlangte keine Seite entscheidenden Vorteil, Remis war die logische Folge.
Taktisch interessant und kreativ war die Partie von Jürgen Hartlieb an Brett 4: Er ersann ein Figurenopfer für eine Bauernwalze gegen den unrochierten König, in vielen Varianten mit durchschlagendem Angriff. In der Partie bekam er die Figur zurück und nach Vereinfachung neutralisierten sich die wechselseitigen Drohungen, da auch der eigene König offen stand. Noch ein Unentschieden, aber aus der Sorte Kampfremis!
Hinten sah es für SSF verheißungsvoll aus: Ich hatte einen Bauern mehr, Josef Rieder ebenso und Wolfgang Weisensel konnte einen gegnerischen Turm fesseln. Nur Hans Sax stand verdächtig, die weißen Felderschwächen um seinen König verhießen nichts gutes.
Es wurde dann aber doch eng: SF Weisensel musste trotz Qualität mehr die Partie gegen Bogdanov aufgeben, weil sein junger Gegner in der Brettmitte gefährliche Freibauern bilden konnte. Dank einem gut postieren Springer und dem vorgerückten König entschied dies die Partie an Brett 8 überraschend zugunsten von Stetten -schade, da wäre mehr drin gewesen. Dafür konnte ich meine Partie an Brett 5 wegen eines taktischen Fehlgriffs von Stettens Liebelt noch vor Erreichen des Endspiels gewinnen.
Danach stand es 2,5 : 2,5 bei 2 noch laufenden Partien. Hätte ich eine Prognose abgeben sollen (es war ja schließlich Wahltag!) hätte ich auf ein 3,5 : 3,5 als "amtliches Endergebnis" getippt: SF Rieder würde entweder seinen Mehrbauern allmählich durchdrücken, den auf der Grundreihe schlecht platzierten schwarzen Läufer fangen oder mit dem eigenen Läufer und Turm den gegnerischen König auf der 7. Reihe Matt setzen. Dafür hatte ich die Partie von Hans Sax gegen Schurz als verloren abgehakt: Qualität und 2 Bauern weniger, der König irrt schutzlos in der Mitte und die gegnerischen Schwerfiguren rücken ihm massiv auf die Pelle. Überflüssig zu erwähnen, dass Hans´ Remisangebot abgelehnt wurde.
Doch wie schon letzte Saison erwies sich SF Sax als zäher Verteidiger, der auch auf verlorenem Posten größtmöglichen Widerstand leistet - das kann einen Gegner schon nervös machen. Statt die Qualität gegen Läufer und Bauern mit leicht gewonnenem Endspiel zurückzugeben, fand Stettens Christian Schurz in Zeitnot nicht den richtigen Plan. Der Höhepunkt der Partie war erreicht, als er eine Abzugsdrohung von Hans mit Damengewinn übersah. Wir trauten unseren Augen nicht: Zwar konnte Schurz seinerseits Hans´ Dame schlagen, der Unterschied war nur, dass der abziehende Bauer von Hans danach nicht mehr aufzuhalten war und glatt zur neuen Dame lief = Partie um 180° gedreht, voller Punkt für SSF!
Danach konnte Josef Rieder mit Mehrbauer seiner sympathischen Gegnerin getrost remis anbieten, was diese nun ihrerseits nicht annehmen durfte. So ging der Kampf nach diversen Abtäuschen über die volle Zeit, wobei der letzte Bauer bei Josef verblieb, der nun seinerseits wieder munter auf Gewinn spielte. Schließlich erreichte Antje Lindemann kurz vor Blättchenfall doch eine theoretische Remisstellung dank Opposition. Aufgrund der langen Verteidigung sicher gerecht und uns reichte es ja zum Gesamtsieg. SF Rieder auf die Frage, warum er nicht schon früher zum Remis abgewickelt hatte: "Ich spiele gern gegen Frauen, da habe ich Erfahrung." Wohl wahr, wenn man eine württembergische Meisterin zur Tochter hat...
So behielten SSF IV am Wahltag mit dem exotischen Ergebnis von 4 : 3 die Oberhand. Über das andere Großereignis dieses Tages mag man geteilter Meinung sein, aber dieser Sieg war auf jeden Fall verdient!

F.Siegle