Endlich unser Heim-Wochenende in der 2. Bundesliga! Dazu sollte man erklären, dass jedes Team der Zweiten Liga genau EIN Mal pro Saison einen Doppelspieltag Samstag / Sonntag zuhause mit drei Gastteams auszurichten hat. Und unseres war nun gekommen, am 08./09.02.2020 kurz vor Ende der Saison. Und wie sah es in der Tabelle aus? Vor Beginn der Saison wurde unsere Chance als Aufsteiger die Klasse zu halten wie folgt eingeschätzt. Es gibt zwei Teams, die eine Idee schwächer sind als wir.
Nämlich erstens die SF Neuberg, der Aufsteiger aus der Oberliga Ost mit dem Ehepaar Lubbe / Ohme an den Spitzenbrettern und dem besten U14-Spieler Deutschlands an Brett 8, sowie der Aufsteiger aus der Oberliga Südwest SV Worms 1878. Diese beiden MUSSTEN wir besiegen. Landet man am Ende aber nur vor denen, so ist man wieder abgestiegen. Denn drei der 10 Team müssen absteigen, weil die 2. Bundesliga Süd drei Oberligen als Unterbau hat. Das Ziel lautet also Platz 7 = Viertletzter. Als Haupt-Konkurrent um diesen Platz 7 wurde der Aufsteiger aus der Oberliga Baden identifiziert, nämlich der SV Walldorf 1947, den wir stärker als uns selbst einschätzten, aber noch in Reichweite. Die anderen sechs Teams spielen ihr eigenes Turnier auf den Plätzen 1 - 6.
Doch im November, an einem Tag, an dem alles schief ging, was schief gehen kann, hatten wir gegen Neuberg verloren. So ergab sich die Situation, dass wir nun unbedingt gegen Walldorf gewinnen mussten, wenn wir den sofortigen Abstieg noch vermeiden wollten. Doch bevor wir zum Wettkampfverlauf in der Zweiten Liga kommen, seien zuerst die Ereignisse auf den Nebenschauplätzen geschildert.
Der 9. Februar war gleichzeitig auch Spieltag der Verbandsliga Nord-Württemberg. Da haben wir zwei Mannschaften, SSF 2 und SSF 3. So ergab es sich, dass am Sonntag zeitgleich im selben Hajeksaal des Bürgerzentrums unsere Zweite und Dritte gegen die beiden Teams aus Grunbach spielten. SSF 1 gegen Grunbach 2 war ein höchst ungleicher Wettkampf, in dem die Grunbacher dennoch irgendwie zwei Punkte ergatterten, also 6:2 für uns. Zu einer ganz heißen Kiste wurde dagegen SSF 3 gegen Grunbach 1. Grunbach mit einem Großmeister an Brett 5 (!!) war der Favorit der Verbandsliga. Entsprechend ging es los, schnell lagen wir 0:2 zurück.
Doch so langsam wendete sich das Blatt. Großmeister Skembris, ehemals Viertplatzierter bei einer U20-Weltmeisterschaft, kam an Brett 4 gegen Matthias Strobel nicht über ein Remis hinaus. Vielleicht steckte dem GM noch seine Niederlage gegen unseren Lothar Schwarzburger in den Knochen? Auf der Grunbacher Seite heißt es: „Spyridon Skembris (4) war in eine gedrückte Position geraten, in der sein Gegner über deutlichen Raumvorteil verfügte. Spyridon hielt zwar seine Stellung gut zusammen, an Vorteil war aber nicht zu denken. Deshalb nahm er das Remisangebot von Matthias Strobel an”. Nach zwei Remisen nur noch 1:3. Sehr zuversichtlich waren wir wie immer bei Uwe Schiestl. Er hat uns nicht enttäuscht. Sodann hatte der eigentlich starke Pogorelow einen schlechten Tag und verlor nahezu widerstandslos gegen Claus Seyfried. Schon der Ausgleich. Zum Knackpunkt wurde die Partie der beiden Mannschaftsführer, nämlich der Grunbacher Vereinsvorsitzende Dirk König, bis vor kurzem noch Vizepräsident des Schachverbands Württemberg, gegen Pavel Aksenov. Dirk König hatte eine saubere, klasse Partie zum sicheren Gewinn geführt. Doch beim Übergang ins Bauernendspiel passierte es. Innerhalb von drei Zügen verdarb er seine Partie zuerst zum Remis und dann zum Verlust und Pavel wurde zu unserem Matchwinner! Damit schlägt Stuttgart 3 den Favoriten der Verbandsliga und schießt gleichzeitig den Weg für unsere Zweite in die Oberliga frei!
Unbemerkt von all dem spielte in einem Nebenraum unser Team 7 in der B-Klasse Stuttgart-Mitte gegen DJK 4. An Brett 1 der 16-jährige Alois, der exakt 12 Tage vorher zum ersten Mal mit seinem Roller-Brett bei uns hineingeschneit war und zuvor noch niemals in einem Schachverein war. Außerdem Routinier Rainer Mohr, der ebenfalls erst vor kurzer Zeit den Weg zu uns als seinem ersten Schachverein im Leben gefunden hatte. Komplettiert wird das Quartett von unseren Talenten U10 und U12 Elias Gotfried und Daniel Goldinov. Diese Vier brauchten nicht lange um den Gegner mit einem 4:0 für uns nach Hause zu schicken.
Uff, und jetzt die 2. Bundesliga. Es war eine Viertelstunde vor Spielbeginn am Samstag um 14:00 Uhr, als mir Wolfgang Schmid zuraunte: „Hast du gesehen wie Walldorf gekommen ist? Mit 1-7 und 9!”. Oha, also so stark, wie sie noch nie aufgestellt hatten. Sie hatten es wohl auch so gesehen, dass es in unserem Sonntags-Match um den ersten Nicht-Abstiegsplatz ging!? Entsprechend schwer tat sich ihr Gegner Schönaich mit GM Bosiocic an Brett 1. Nur mit knapper Not konnte Schönaich am Samstag Walldorf schlagen. Und gegen die sollen wir am Sonntag gewinnen? Oh weh.
Nun war es also endlich Sonntag, und das wichtige Match SSF 1 - Walldorf wurde vom Internationalen Schiedsrichter Thomas Wiedmann pünktlich um 10:00 Uhr freigegeben. Ich persönlich hatte eine entspannte Partie und konnte ausgiebig zuschauen. Nach zwei Stunden bei uns noch keiner mit einer Verluststellung. Dagegen bald schon eine, wenn nicht zwei Partien, bei denen man vorsichtig optimistisch sein durfte. Am Ende siegten wir vor allem dank der „größeren Kampfkraft an den hinteren Brettern”, wie Harald Keilhack am folgenden Samstag in der Stuttgarter Zeitung schrieb, „wo Vyval, Beyer und Fritsch zu Siegen kamen. Zuvor entschied Kvetny an drei sein Spiel souverän für sich”, Zitatende. Christian Beyer hat an diesem Wochenende übrigens seine BEIDEN Partien gewonnen. Wahnsinn Christian!
Alles in allem möchte ich sagen, dass dieses Wochenende so unglaublich gut für uns verlaufen ist, dass ich es bis heute kaum fassen kann. Und ich bin sicher, Grunbach bringt uns Glück. Denn ohne Grunbach hätten wir das wichtige Match gegen Walldorf niemals gewinnen können!
Claus Seyfried
So sehen Sieger aus!