Langes Wochenende in Stuttgart
Endlich die ersten Punkte – in WG mit Vishi!

von Frank Zeller, Tübingen


Prominenter Besuch hatte sich schon tags zuvor angekündigt: Wiswanathan Anand werde, so ging die Kunde, beim langen Bundesligawochenende in Stuttgart partizipieren. Und siehe: leibhaftig stand er dann an den Brettern, die in Gerlingens Hotel Bonjour bereitet waren! Auch das weitere Aufgebot an weltbekannten Größen ließ sich sehen. Nicht nur Baden-Oos, auch die am Samstag dazu stoßende Riege vom Tegernsee war mit Großmeistern gespickt. Es war folglich etwas geboten an diesem langen Wochenende, an dem die Hausherren und ihre Reisepartner aus Baden-Oos je drei Spiele, darunter den direkten Vergleich, zu bewältigen hatten. Bedauerlicherweise stand die Aula der Firma Dürr, die bei unserem letzten Heimspiel einen für Bundesligaaustragungen weit überdurchschnittlichen Rahmen abgab, wegen interner Weihnachtsfeierlichkeiten nicht zur Verfügung. So fand sich eine „Notlösung“ im Bonjour, bei der vor allem die Kiebitze wegen der anfallenden Enge von Nöten betroffen waren. Es hatte aber auch etwas Anheimelndes: durch die wohnungsähnliche Aufteilung der Veranstaltung in mehrere kleine Räume und den direkten Kontakt zwischen Exweltmeister, Spieler, Patzer und Kiebitze entspann sich ein nettes Flair, das an eine Wohngemeinschaft erinnerte. In der Küche (sprich: Analyseraum) tauschten Svidler und Co launige Kommentare, im Wohnzimmer schob Vishi Dr. Roberts und Schmitties Könige übers ganze Brett, um eine Gewinnidee zu demonstrieren, im Durchgangszimmer warfen Betreuer und Funktionäre schnell noch einen Kaffe ein, um dann im Vorzimmer mit aufgepflanzten Handys zu entschwinden. Nun die Schilderung der schachlichen Ereignisse aus unserer Sicht – zu den Partien und den anderen Begegnungen sei auf www.schachbundesliga.de verwiesen!

Freitag, der 13.: Stuttgart - Baden-Oos 3:5


Eine ehrenvolle Niederlage nahmen wir gegen die starken Ooser hin. Nachdem Hickl und Gabriel nicht mitspielten galt es nur, die Niederlage in Grenzen zu halten. Und das gelang; die Ooser mussten gar noch bis nach die Zeitnotphase bangen. Nach einem schnellen Unentschieden von Golubev am zweiten Brett war es Dimitri Bunzmann, der die Gastgeber gar in Führung schoss. Sein Gegenüber Schlosser hatte in ausgeglichener Stellung seine Dame zu weit ins gegnerische Lager vorschnellen lassen und dort kam sie ihm dann abhanden! Nach zwei Stunden sah es für die Stuttgarter viel versprechend aus – selbst Anand war ins Grübeln geraten: seine Partie gegen unseren Rainer Buhmann wurde mit Hochspannung verfolgt. Zunächst schien der Weltranglistendritte wenig gerührt, spulte die Eröffnung herunter, starrte gelangweilt Löcher in die Luft oder lugte verträumt aus dem Fenster, dann, bei beginnendem Mittelspiel, nahm er sich eine Auszeit und brütete übermäßig lange für ein, zwei Züge.
( Anmerkung des Webmeisters: Nach der Partie demonstrierte Anand im Analyseraum den Zuschauern, mit welcher interessanten Variante er wohl einen Teil dieser Zeit verbracht hatte: 18... exf5 19.Dxd5 Lb7 20.Dxd7 Tad8 21.e6 Txd7 22.exd7 Le4 23.Sc5)
Hatte Rainer ihn überrascht? Wohl kaum, denn im Weiteren beschleunigte der umgängliche Inder wieder das Tempo, zog schnell und druckvoll und zerstob alle Sensationsgelüste. Chancen für die Schachfreunde blieben dennoch, besonders an den Mittelbrettern 4 bis 6 konnte man auf Punkte hoffen: Während sich die Positionen von Florian Jenni (3) und Thomas Heinatz (8) kontinuierlich verschlechterten, schienen Eckhard Schmittdiel (4), Matthias Duppel (6) und ich selbst leichte Vorteile zu haben. Vor der Zeitkontrolle jedoch hielten die Ooser zwei dieser kritischen Partien remis, gewannen die beiden vorteilhaften und sicherten sich somit die 4,5 Punkte. Letztlich prüfte Eckhard die Endspielkunst von Hübner noch lange, ohne ihn aber zur Kapitulation bewegen zu können. Dennoch: wir konnten sehr mit Verlauf und Ergebnis zufrieden sein!


Samstag, der 14., Stuttgart- Tegernsee 3,5:4,5


Sehr eng und spannend wurde es gegen die ebenso starke Mannschaft vom Tegernsee. Letztendlich war der Sieg der Bajuwaren verdient, hatten wir doch einen Punkt etwas glücklich „erreicht“ und Tegernsee die 4,5 Punkte schon kurz nach der Zeitkontrolle unter Dach und Fach gebracht. Nach einer schnellen Punkteteilung von Bunzmann und Stangl war es Schmittdiel, der eine aussichtsreich aussehende Stellung gegen Bundestrainer Bönsch rasch zum Kippen und die Tegernseer damit in Front brachte. Wie sich zeigen sollte, war Ecki indisponiert und ein grippaler Infekt sollte sich bei ihm ankündigen. Andernbretts sah es mehr versprechender aus: Matthias war im Angriff und Gegner Hertneck konnte sich nur in ein schwieriges Endspiel retten, Thomas besaß einen Mehrbauern, wobei Frau Kachiani allerdings flottes Gegenspiel besaß. Die restlichen Bretter waren unklar bei eher zu Tegernsee neigender Tendenz. Kurz vor der Zeitnotphase gelang es mir, aus leichtem Nachteil heraus das Turmendspiel remis zu halten. Dann entschied sich der Kampf, wie gewohnt, in Zeitnot, und zwar an Brett 1,2 und 8: den Gästen gelang es dabei, zwei wichtige Punkte an den Spitzenbrettern zu sichern. Rainer stand zwar schon länger bedenklich, doch sein Gegenüber Khenkin war in äußerster Zeitnot. Leider (für uns) verlor er nicht die Übersicht. Sehr zugespitzt die Lage zwischen Golubev und A. Sokolow: bei beiderseits rund drei Minuten auf der Uhr für an die zehn Züge war Mikhail sichtlich irritiert. Plötzlich sah er sich mit einem schwierigen Endspiel konfrontiert. Er ließ die Zeit bis auf wenige Sekunden ablaufen, ohne dabei den Remisplan zu finden. Nach dem 41. Zug gab er auf. Ganz speziell war die Partie Heinatz - Kachiani: Die erreichte den Höhepunkt an Dramatik erst nach Vollendung der 40 Züge durch eine etwas verspätete und unsouveräne Schiedsrichterentscheidung. Frau Kachiani hatte im harten beiderseitigen Gezocke ein gewonnenes Endspiel erreicht, doch ihre Seite der elektronischen Uhr zeigte ein Minus an, war normalerweise das Zeichen dafür ist, dass sie als erste die Zeit überschritten hat. Da der Schiedsrichter aber an den anderen Brettern, der Hilfsschiedsrichter nicht genügend instruiert und Thomas seiner chancenreichen Situation nicht bewusst war und über seinen 41. Zug brütete, griff indes niemand ein, bis Stuttgarter Spieler endlich den Schiedsrichter herbeizitierten. Abgesehen von der Frage, ob dies zulässig ist, entstand nun ein heilloses Chaos über die Sachlage, bei der der überforderte Schiedsrichter den Kollegen vom Parallelkampf, Thomas Wiedmann, zu Hilfe holen musste. Dieser entschied dann, wohl durchaus zurecht, auf Zeitüberschreitung und Punkt für Stuttgart. Hier fragt man sich, nach welchen Kriterien denn die Schiedsrichter für die oberste Deutsche Liga, eine der stärksten der Welt, ausgewählt werden, und man muss Zweifel an der Qualifikation einzelner Personen anmelden. So keimte immerhin noch Hoffnungsschimmer im Stuttgarter Lager auf, denn beim Stande von 4:2 für Tegernsee boten sich für die Verbliebenen Matthias und Florian noch gewisse Gewinnchancen. Leider zerstoben sich die schnell, als Hertneck die Remisabwicklung forcieren konnte und Duppel in die Zugwiederholung einwilligen musste. Es langte noch zur Resultatsverbeserung, als Jenni im längsten Spiel des Tages fulminant seinen starken Gegner Beim niederrang. Es war eine äußerst interessante und bis zum Schluss spannende Partie zwischen den beiden.

Sonntag, 15. 12.: Stuttgart – Forchheim 4,5 : 3,5


Endlich, endlich die ersehnten ersten Punkte und damit Abgabe der Roten Laterne an die geschlagenen Gegner! Einfach war es nicht gewesen. Zwar spielte Jörg Hickl in diesem wichtigen Abstiegsspiel mit, dafür waren Eckhard über Nacht krank geworden und ich verhindert. Es fing aber zunächst blendend an: Jenni, wohl noch beschwingt vom Sieg des Vortages, pustete seinen Gegner mit Schwarz in nur 15 Zügen weg! Nicht viel länger dauerte es bei Duppel und Bunzmann: die verlängerte Mittelachse erspielte schnell eine 3:0 Führung für die Hausherren. Eine sichere Führung, möchte man meinen?! Doch ansonsten gab es kaum Anlass zur Freude. Die drei Spitzenbretter lagen unter Beschuss. Selbst Jörg, sonst mit Weiß eine feste Bank mit eingebauter Remisgarantie, hatte eine ungewohnt unübersichtliche Stellung vor sich. Vielleicht nicht schlechter, aber unkontrolliert. Golubevs Gegner scheinen langsam zu wissen, dass sie Komplikationen meiden und möglichst viel tauschen müssen. Nachdem aller Angriffsschwung zunichte, musste Mikhail uns Remis kämpfen. Auch Rainer und Ersatzmann Wolfgang Schmid standen bedenklich; nur Thomas blieb ungerührt und sicherte das Remis. 3,5:0,5. Doch woher den restlichen Punkt nehmen? Golubev und Schmid verloren ihre Partien, doch zum Glück zeigten unsere Spitzenbretter mit zunehmender Spielzeit doch ihre Stärken: ein Hickl lässt sich den halben Punkt eben kaum nehmen – somit 4:2. Blieb noch Rainer, der sich seiner Haut gegen Großmeister Jansa erwehren musste. Doch der war zwischendurch nachlässig geworden und hatte seine größten Chancen ausgelassen. Im Turmendspiel wusste der Stuttgarter, was er zu tun hatte, und steuerte souverän die Partie in den Remishafen. Damit war der knappe und wichtige Sieg perfekt.